„Liebe hat Macht“ Frischer Wind für die britische Monarchie

Windsor (dpa) - Winkend fahren Prinz Harry und Meghan in einem blauglänzenden Cabrio durch die Abendsonne. Es ist der letzte öffentliche Auftritt an ihrem Hochzeitstag. Schick und klassisch ist der Jaguar - und doch anders.

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Das ursprünglich aus dem Jahr 1968 stammende Modell ist inzwischen mit einem Elektromotor ausgestattet. Ein Balanceakt zwischen Moderne und Tradition - das ist so etwas wie das Leitmotiv dieses Paares und seiner „Royal Wedding“.

Das Wetter spielt perfekt mit. Alles andere hat der Palast bis auf die Minute genau durchgeplant. Und exakt nach Plan läuft die Feier auch ab. Selbstverständlich ist das nicht: Vorab gab es Ärger um die Verwandtschaft der US-Amerikanerin Meghan, die teils so gar nichts vom strikten Verhaltenskodex der britischen Royals hält. Überraschungen bietet diese Hochzeit aber auch ohne Pannen.

Da ist der afroamerikanische Bischof, dessen feurige Predigt steife Briten staunen lässt und liberale Kommentatoren begeistert. „Zwei junge Menschen haben sich verliebt, und wir sind alle hier“, sagt Michael Curry von der US-Episkopalkirche. „Die Liebe hat Macht.“ Er zitiert Martin Luther King, richtet sich gegen Hass und Rassismus. Im Anschluss singt ein Gospelchor „Stand By Me“. So etwas hat die spätgotische St.-Georgs-Kapelle wohl noch nicht gesehen.

Auch 600 Gäste der Trauzeremonie bieten Gesprächsstoff. „So bunt“, schwärmen viele. Von Meghans Familie ist nur ihre Mutter Doria Ragland da, aber Freunde und Kollegen hat die Ex-Schauspielerin reichlich eingeladen. Natürlich sind auch viele mehr und weniger bekannte Royals da sowie die britischen Top-Promis aus Film, Musik und Sport. Hollywoodstar George Clooney streichelt den Arm seiner Frau, der britisch-libanesischen Top-Anwältin Amal Clooney. Idris Elba winkt den Schaulustigen zu, David und Victoria Beckham werden bejubelt, der Schmusesänger James Blunt blinzelt in die Sonne, die US-Moderatorin Oprah Winfrey kommt in einem rosa Kleid mit mächtigem Hut.

Pippa, die Schwester von Harrys Schwägerin Kate, trägt dezentes Mintgrün - sieben Jahre ist es her, dass ihr enges, weißes Kleid bei Kate und Williams Hochzeit ihr den Beinamen „Her Royal Hotness“ einbrachte. Auch Superstar Elton John ist gekommen. Er war mit Harrys Mutter Diana befreundet, bei ihrer Beerdigung 1997 rührte er mit „Candle in the Wind“ die Welt zu Tränen. Beim Empfang nach der Trauung tritt er auf - ein persönlicher Wunsch Harrys, wie britische Medien wissen wollen.

Es sind viele kleine, moderne Akzente, die Harry und Meghan setzen. 1200 ganz normale Menschen, die sich mit besonderem sozialem Engagement hervortun, dürfen auf Wunsch der beiden in den Schlosshof. Statt des traditionellen schweren Frucht-Hochzeitskuchens, den es bei Prinz William und Kate gab, gibt es eine leichtere Bio-Zitronentorte mit Holunderblüten. Meghan verspricht im Ehegelübde keinen Gehorsam.

Die Braut trägt reines Weiß - weil es frisch und modern sei, teilt der Palast mit. Für manchen kam das überraschend, schließlich ist es für Meghan schon die zweite Ehe. Nach der Absage ihres Vaters bringt der Schwiegervater und Thronfolger Prinz Charles die Braut zum Altar. Dort empfängt Harry sie mit den Worten: „Du siehst großartig aus.“

Die offensichtliche Verliebtheit der beiden rührt viele Briten. Und das Königshaus kann vorerst zufrieden sein: Harry und Meghan, das junge Paar mit dem eigenen Kopf, das passt gut. Der Prinz pflückt selbst Blumen für den Brautstrauß - und die Pressestelle sorgt dafür, dass die Welt es auch erfährt.

William, Kate und ihre drei Kinder sind sympathisch, wirken aber auch ein bisschen spießig. Harry galt einst als partyliebendes Sorgenkind, bis er in der Armee einen Platz fand. Nun lassen er und seine Frau, eine geschiedene Schauspielerin aus den USA mit afroamerikanischen Wurzeln, sich als das moderne Gesicht der Royals vermarkten. Die beiden haben mehr Freiheiten, denn Harry wird als sechster der Thronfolge aller Voraussicht nach kein König werden.

Trotzdem hat auch für sie die Freiheit Grenzen. Den Schauspielberuf zum Beispiel musste Meghan mit der Verlobung aufgeben. Sie hat nun einen eigenen Eintrag auf der Website der Königsfamilie, der unter anderem erzählt, wie sie schon mit elf Jahren erfolgreich gegen eine sexistische Werbekampagne Stimmung machte und als Teenie in eine Suppenküche in Los Angeles aushalf. „Ich bin stolz, eine Frau und eine Feministin zu sein“, dieses Zitat aus ihrer Rede vor den Vereinten Nationen hebt die Seite besonders hervor.

Viele Briten setzen darauf, dass die ehemalige Schauspielerin und der Prinz auch nach der Hochzeit frischen Wind in die Monarchie bringen. Am Hochzeitstag gelingt der Balanceakt zwischen Tradition und Moderne. Auch Meghans Mutter, die Nasenpiercing und Dreadlocks trägt, scheint schon angekommen im Königshaus: Nach dem Gottesdienst reicht Prinz Charles ihr die Hand.