Israels erste „Miss Trans“ schreibt Geschichte
Tel Aviv (dpa) - Vom Rande der Gesellschaft zur stolzen Schönheitskönigin: Die christliche Araberin Taalin Abu Chana (21) hat am Freitag Geschichte geschrieben, als sie in Tel Aviv zu Israels erster „Miss Trans“ gekrönt worden ist.
„Die Krone ist nicht so wichtig“, rief die schwarzhaarige Balletttänzerin aus Nazareth während der glamourösen Veranstaltung in Israels Nationaltheater Habima. „Wir brauchen niemanden, der uns sagt, wer schöner ist - wir sind alle Königinnen.“ Sie wird Israel im September beim „Miss Trans Star“-Wettbewerb in Barcelona vertreten.
„Dies ist der Unabhängigkeitstag der Transgender-Gemeinde“, jubelte Israela Stephanie Lev, die den ersten Wettbewerb für transsexuelle Frauen in Israel ins Leben gerufen hat.
Insgesamt traten in der letzten Runde elf Kandidatinnen an. Eine zwölfte war in letzter Minute abgesprungen. Im Publikum saßen viele transsexuelle Frauen, für die die Finalistinnen wichtige Hoffnungsträgerinnen sind. Sie alle haben einen Herzenswunsch: Mehr Akzeptanz in der Gesellschaft.
Der farbenfrohe Abend hat einen sehr ernsten Hintergrund. Viele transsexuelle Frauen in Israel haben noch mit Anfeindungen zu kämpfen. Auf der Suche nach einem Arbeitsplatz oder einer Wohnung stoßen sie oft auf Ablehnung.
Eileen Ben-Zaken, die zur „Miss Photogenic“ gekürt wurde, wirkt mit ihren großen Augen und ihren vollen Lippen sehr weiblich - aufgewachsen ist die 21-Jährige jedoch als Junge in einer ultra-orthodoxen Familie in Jerusalem. Die Einwohner des strengreligiösen Viertels in Jerusalem hätten sie „schräg angeschaut“, erzählt Ben-Zaken, die als Konditorin arbeitet. „Immer wieder wurde ich beschimpft. Irgendwann bin ich nach Tel Aviv geflüchtet.“ Sie habe nur noch mit ihrer Mutter Kontakt.
Auch die 25-jährige Madeleine Matar stammt aus einer religiösen Familie - allerdings einer muslimischen im arabischen Vorort Jaffo im Süden von Tel Aviv. Ihre Angehörigen haben auf ihre Geschlechtsumwandlung ähnlich ablehnend reagiert wie die strengreligiöse Familie der Jüdin Eileen. „Mein Vater akzeptiert mich bis heute nicht so, wie ich bin“, sagt die Bauchtänzerin, die ihr Elternhaus vor acht Jahren verließ. „Meine Mutter ist die einzige, die noch mit mir spricht.“
Als Galionsfigur der Trans-Bewegung in Israel gilt die Sängerin Dana International, die 1998 als erste Transsexuelle den Eurovision Song Contest gewann. Mit einem extravaganten bunten Federkleid und ihrem Lied „Diva“ eroberte sie damals die Herzen der Zuschauer.
Transsexuelle sind Menschen, die sich mit ihrem angeborenen oder bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht nicht identifizieren und sich dem anderen Geschlecht zugehörig fühlen. Der Gebrauch der Begriffe ist jedoch nicht immer einheitlich. Wer sich etwa als Transgender bezeichnet, will nicht unbedingt den eigenen Körper verändern.
In der Jury des Schönheitswettbewerbs saß Efrat Tilma, die als Israels erste Transgender-Frau gilt. „Wir waren Anfang der 1960er Jahre vier Mädels, die den Prozess gemeinsam begonnen haben“, erzählt die 70-Jährige, deren Eltern aus Berlin stammten und das KZ Theresienstadt überlebt haben. Im jungen Staat Israel habe es kein Verständnis für Transgender gegeben. „Wir wurden von der Polizei verprügelt, wenn wir Frauenkleider getragen haben“, sagt Tilma.
Einfühlsam sei nur ihre Großmutter gewesen, die nach dem Krieg nach Berlin zurückgekehrt sei. Schließlich sei sie ganz zu ihr gezogen. „Sie sagte mir: Ich verstehe deine Gefühle, du bist und bleibst meine Enkelin.“ Tilma hat sich der Operation zur Geschlechtsanpassung als 20-Jährige bei einem französischen Arzt in Casablanca (Marokko) unterzogen. „In Israel und in Deutschland war das damals noch illegal.“ Erst nach der Reform des Sexualstrafrechts unter dem damaligen Bundeskanzler Willy Brandt 1973 sei eine Befreiung zu spüren gewesen.
„Ich hatte im Leben drei große Träume, und alle sind in Erfüllung gegangen“, erzählt Tilma. „Ich wollte ganz Frau werden und alle notwendigen Operationen machen lassen, ich wollte Stewardess werden, und ich wollte einen Mann finden, der mich heiratet.“ Sie habe 23 Jahre lang in Deutschland für eine britische Fluggesellschaft gearbeitet, ohne ihr Geheimnis preiszugeben.
Ihrem deutschen Mann habe sie sich erst drei Monate nach dem Kennenlernen geöffnet. „Ich hatte das Gefühl, dass ich diese Rolle nicht mehr spielen kann, ich muss ihm meine Vergangenheit offenlegen. Er hat gesagt: Na und? Ich kenne dich heute, für mich bist du eine schöne, intelligente Frau, und ich liebe dich.“ Nach 22 Jahren glücklicher Ehe starb ihr Mann, und sie kehrte nach Israel zurück.
Der Schönheitswettbewerb für Transgender-Frauen war für Tilma ein „historischer Tag“. Ziel sei es, mehr Verständnis für transsexuelle Frauen zu schaffen. Schönheit sei vergänglich, daher sehe sie den Wettbewerb nur als Sprungbrett für ernstere Erfolge. „Ich wünsche mir, dass sie im Leben vorankommen, dass sie etwas studieren, dass aus ihnen etwas wird.“
Sie sei „stolz darauf, eine israelische Araberin zu sein“, sagte Siegerin Abu Chana am Freitag. „Heute kann ich in den Spiegel schauen und ich sehe eine glückliche Frau. Ich habe keine Angst mehr.“