Mit Spionen auf Zeitreise ins Berlin der 70er

Prag (dpa) - Berlin mitten im Kalten Krieg. Die Stasi schickt den jungen und gut aussehenden Spion Lars Weber (Tom Schilling) nach West-Berlin, um Agentinnen der Gegenseite zu verführen.

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Ehe er auf die Damenwelt losgelassen wird, holt er sich Instruktionen bei seinem Führungsoffizier, dem etwas grummeligen Ralf Müller (Ben Becker). Das ist die Szene des ZDF-Dreiteilers „Berlin ’74 - The Same Sky“, die an diesem Vormittag im Prager Barrandov-Studio gedreht wird.

Wie viele Spiegeleier er an diesem Drehtag schon gegessen hat, dürfte Ben Becker nicht mehr gezählt haben. Denn die Frühstücksszene muss immer wieder aufs Neue gedreht werden, bis alles perfekt passt. Als Ralf soll er dem neuen Spitzel erklären, wie er sein Opfer am besten verführt. Becker soll dann noch gleichzeitig Ei essen, eine Zigarette anzünden und Friedrich Nietzsche zitieren. „Das ist dann irgendwie schon ein bisschen wie Jonglieren“, sagt der Schauspieler.

Die Kamera läuft. „Rotwein, kein Weißwein“, rät Ralf für das Date des frischgebackenen „Romeo“-Spions mit der britischen Geheimdienstagentin Lauren Faber (Sofia Helin, „Die Brücke“). „Halt einfach Kurs, bis sie anbeißt“, fügt er hinzu und nimmt noch einen Schluck Kaffee. Fast ist die Szene im Kasten, da sitzt bei seinem Gegenüber die Krawatte nicht richtig. „Da bin ich jetzt wirklich Perfektionist“, sagt Tom Schilling.

Wie die beiden unterschiedlichen Stasi-Charaktere, der eine im Anzug, der andere in der Lederjacke, so aufeinandertreffen, entsteht ein feiner Sinn von Komik. Ralf sei „mehr fürs Grobe“ zuständig, erläutert Becker und fügt hinzu: „Ich glaube, es wird Spaß machen, dem Typen zuzugucken.“

Becker findet es spannend, wie im Prag von heute das Berlin von 1974 entsteht. „Da kommst du um die Ecke, und da steht plötzlich Checkpoint Charlie, also das ist wie durch die Zauberkugel“, sagt er. An das Leben in der Enklave West-Berlin kann er sich aus eigener Erfahrung erinnern. „Da war einfach viel Freiheit möglich, trotzdem man eingeschlossen war - oder gerade darum.“

Tom Schilling, Jahrgang 1982, ist hingegen im Ostteil der Spreemetropole aufgewachsen. „Die Stasi ist immer ein großes Thema, wenn man aus dem Osten kommt, auch in meiner Generation noch“, sagt der Schauspieler, der auch schon in „Unsere Mütter, unsere Väter“ zu sehen war. Er ist sich sicher, dass die allgegenwärtige Kontrolle durch den Geheimdienst bei den Menschen ihre Spuren hinterlassen hat. Mit einer anderen unrühmlichen Seite der DDR, dem Doping im Spitzensport, befasst sich ein Seitenstrang der Handlung.

Regisseur Oliver Hirschbiegel lässt sich in einer Drehpause in die moosgrüne Designersofa der nachgebauten Agentenwohnung fallen - und bewundert den kultigen Wega-Plattenspieler. „Das konnte man sich damals als normaler Mensch im Westen nicht leisten“, sagt er. Die Zeit der 70er erinnert er selbst als schwerfällig und „fast wie einbetoniert“. Der Westen habe geglitzert, aber auch etwas Unnahbares und Kaltes gehabt, der Osten Gemütlichkeit, aber auch Kleinkariertheit ausgestrahlt.

Während Kugellautsprecher und Bogenlampe heute fast schon wieder modern wirken, spaltet die Mode die Meinungen der Künstler am Set. Tom Schilling kann mit Schlaghosen und knalligen Farbkombinationen privat wenig anfangen. Er sagt: „Mich persönlich sprechen die 70er Jahre modisch überhaupt nicht an.“

Nach dem Kriegsepos „Unsere Mütter, unsere Väter“ und der ländlichen Nachkriegs-Familiensaga „Tannbach“ will das ZDF mit „Berlin ’74 - The Same Sky“ ein weiteres Kapitel der deutschen Geschichte aufarbeiten. Drehbuchautorin ist diesmal mit Paula Milne eine Engländerin. „Das hat einen ganz eigenen Charme, denn das ist ein Blick von außen“, sagt ZDF-Redakteur Wolfgang Feindt.

Für die Produzenten Nico Hofmann (Ufa Fiction) und Jan Mojto (Beta Film) ist das Thema „Berlin im Kalten Krieg“ nicht ganz neu. Vor knapp 15 Jahren drehten sie gemeinsam den Fluchthelferfilm „Der Tunnel“ (2001). Der neue Event-Dreiteiler „Berlin ’74 - The Same Sky“ wird Ende 2016 oder Anfang 2017 im ZDF ausgestrahlt.