Rassismus Große Betroffenheit nach Anschlag auf Jüterboger Jugendclub
Nach dem Anschlag auf einen evangelischen Jugendclub in Jüterbog vermutet die Kirchengemeinde einen rassistischen Hintergrund. Helfer, die sich um Flüchtlinge kümmern, wollen sich nicht einschüchtern lassen.
Jüterbog (dpa). Über Parteigrenzen hinweg haben Politiker und Kirchenvertreter den Anschlag auf einen evangelischen Jugendclub in Jüterbog (Teltow-Fläming) verurteilt. „Rechtsextreme missbrauchen die vermehrte Zuwanderung, um Angst zu schüren, streuen unwahre Gerüchte und fühlen sich erstarkt. Mit dem Anschlag, der vermutlich auf Kosten Rechtsextremer geht, ist eine Grenze überschritten“, sagte der Jüterboger Landtagsabgeordnete, Erik Stohn (SPD).
Unbekannte hatten am Freitagabend Pyrotechnik in der kirchlichen Einrichtung gezündet. Menschen wurden nicht verletzt. „Durch die starke Detonation sind sämtliche Fensterscheiben zerborsten und die Decke in der Jugendeinrichtung ist heruntergekommen“, sagte der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg schlesische Oberlausitz, Markus Dröge. Die Polizei bezifferte den Sachschaden auf 2500 Euro.
In dem Club finde ein regelmäßiges Begegnungscafé mit Flüchtlingen statt. Die Gemeindeverantwortlichen sähen einen Zusammenhang mit einer fremdenfeindlichen Demonstration am Freitagabend, hieß es. Beobachter sprachen von eher wenig Teilnehmern, eine genaue Zahl gab es jedoch nicht von offizieller Seite. Bei einer Gegendemo waren nach Angaben einer Kirchensprecherin rund 500 Menschen.
Die Kirchengemeinde vermutet einen rassistischen Hintergrund. „Alles andere ist eher sehr unwahrscheinlich“, sagte Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD). Es müssten jedoch die Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Staatsschutz abgewartet werden. Gleichwohl vermutet Schröter eine „Frust- oder Wutaktion“ der Rechten, weil die Gegendemonstration am Freitagabend sehr viel größer und von Einheimischen getragen war.
Er besuchte am Samstag zusammen mit Bischof Dröge den Tatort, um Flüchtlingen und Helfern Mut zuzusprechen. Vor dem zerstörten Jugendclub hatten sich knapp 100 Jüterboger versammelt, um ihre Solidarität mit den Betroffenen zu signalisieren. Für ihn sei klar, dass mit der „menschenfeindlichen Tat“ versucht werden soll, Angst zu verbreiten, sagte Dröge. „Unsere Leute lassen sich aber nicht einschüchtern. Wir machen weiter.“
Jüterbogs Bürgermeister Arne Raue (parteilos) nahm nicht an der Solidaritätskundgebung teil. „Zu gleicher Zeit war ich privat zu einer Beerdigung. Es hat mich jedoch sehr berührt und ich freue mich, dass so viele Jüterboger Anteil genommen und Zusammenhalt signalisiert haben - ein tolles Zeichen des Miteinanders“, teilte er am Sonntag mit.
Anfang November hatte Raue für Unmut gesorgt, weil er per Facebook vor dem Kontakt mit Asylbewerbern warnte, die ansteckende Krankheiten einschleppen könnten. Raue distanzierte sich später von seinem Aufruf. Dröge sagte vor dem Hintergrund: „Politiker, die sich verächtlich über Flüchtlinge oder Helfer, die sich für Asylsuchende einsetzen, äußern, sollten in sich gehen und überlegen, ob sie nicht eine Mitverantwortung tragen, wenn sich so eine Stimmung der Gewaltbereitschaft breitmacht.“
„Die Tat war absolut hinterhältig, feige und beschämend“, sagte Danny Eichelbaum, Landtagsabgeordneter und CDU-Kreisvorsitzender. „Ich bin entsetzt, aber nicht sprachlos. Umso lauter werde ich meine Stimme gegen jene erheben, die rechtsradikales Gedankengut verbreiten und sich gegen Flüchtlinge stellen“, ergänzte Landrätin Kornelia Wehlan (Linke).
„Wir werden vor denen, die Flüchtlinge und Helfer bedrohen, keinen Zentimeter zurückweichen“, erklärte Schröter weiter. „Diejenigen, die vorgeben, das christliche Abendland zu verteidigen, aber zugleich Anschläge auf kirchliche Einrichtungen verüben, haben die letzte Maske fallen lassen.“
„Es bleibt zu hoffen, dass diese Taten allen die Augen öffnen, welche Ziele die sogenannten Asylkritiker verfolgen. Die Abendspaziergänge, wie auch im Vorfeld der Explosion in Jüterborg einer stattfand, legen das argumentative Fundament für solche Taten“, erklärten die grünen Landesvorsitzenden, Petra Budke und Clemens Rostock.