Große Nero-Schau zeigt römischen Kaiser in neuem Licht

Trier (dpa) - Kaiser Nero war grausam. Er hat seine Mutter umgebracht, Menschen von wilden Tieren zerfleischen lassen und Christen als menschliche Fackeln in der Arena verbrannt. Doch der antike Herrscher war mehr.

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Er war auch Künstler, Architekt und Reformer - und lange Zeit beim Volk beliebt. „Nero ist sicherlich der bekannteste aller römischen Kaiser“, sagt der Direktor des Rheinischen Landesmuseums Trier, Marcus Reuter. „Doch das Bild, das viele heute von ihm haben, entspricht überhaupt nicht der Realität.“

Eine große Sonderausstellung in Trier will das nun ändern. „Wir zeigen Nero in neuem Licht. Mit all seinen Facetten“, sagt Reuter. Grundlage sind neuere Forschungsergebnisse. Für die Schau „Nero - Kaiser, Künstler und Tyrann“ vom 14. Mai bis 16. Oktober wird aus Top-Museen Europas alles versammelt, was es zu dem Imperator gibt: 700 Exponate aus mehr als 15 Ländern, die in drei Trierer Museen zu sehen sind. Über 100 Leihgeber sind im Boot: Vom British Museum in London bis zu den Vatikanischen Museen in Rom.

Die Schau trägt auf 2000 Quadratmetern antike Porträts, Kostbarkeiten aus Gold und Silber sowie edle Mosaike zusammen. Ein Höhepunkt sei eine einzigartige Marmorstatue aus dem Louvre, die den jungen Nero zeige - mit einer Versicherungssumme von neun Millionen Euro, verrät Reuter. Nahe komme man dem Kaiser bei Funden aus seinem Palast: Wandmosaike mit filigran ausgeschnittenen Marmorblüten. „Man ist quasi in den Privaträumen Neros.“

Es sei die erste Ausstellung über Nero in Mitteleuropa, sagt der Archäologe Reuter. Wissenschaftler sind angetan: „Ich glaube ohne Übertreibung sagen zu können, dass dies eine exquisite, international hochkarätige und in gewissem Maße einzigartige Schau wird“, sagt Christian Witschel, Professor für Alte Geschichte an der Universität Heidelberg. Erstmals biete eine Ausstellung so viel Material über Nero, der von 37 bis 68 nach Christus lebte, und zwar auf dem Stand der Wissenschaft.

Dazu gehört auch, mit alten Mythen aufzuräumen. Zum Beispiel, dass Nero im Jahr 64 Rom anzündete. „Es spricht definitiv vieles dafür, dass er mit dem Brand nichts zu tun hatte“, sagt Witschel. Es habe damals in Rom immer wieder gebrannt, Feuer habe sich bei der engen Bebauung rasch ausgebreitet. Reuter fügt weitere Argumente hinzu: Nero sei damals nicht in Rom gewesen - und er habe beim Brand seine „geliebte Kunstsammlung“ verloren.

Auch der Künstler Nero findet in der Schau Platz. Er sei ungeheuer kreativ gewesen, berichtet Reuter. Er habe gut gedichtet, komponiert und gesungen. Und innovative Architektur gefördert. In sein Goldenes Haus (Domus Aurea) habe er sich eine drehende Kuppel mit Himmelsgewölbe bauen lassen, von wo er auf die Speisenden Rosenblätter regnen ließ.

Die kreative Ader Neros hat der Oberschicht damals nicht gefallen. Sie sei „entsetzt“ gewesen, dass der Herrscher als Schauspieler und Sänger auftrat. „Das gehörte sich für einen Kaiser nicht. Das wäre wie wenn die Queen ins Dschungelcamp gehen würde“, sagt Reuter.

Dass der Name Nero heute vor allem mit Verschwendungssucht, Größenwahn und Grausamkeit verbunden wird, geht auf das Konto antiker Autoren wie Tacitus und Sueton. Sie gehörten zur Aristokratie, der Nero mit Ignoranz gegenübertrat - und schrieben entsprechend negativ über den Herrscher. Dieses „verzerrte Bild“ sei lange für bare Münze genommen worden, sagt Reuter.

Das Landesmuseum widmet sich als Hauptstandort Neros Leben, seiner Herrschaft und den Folgen. Das Stadtmuseum Simeonstift zeigt Darstellungen Neros vom frühesten Mittelalter bis zum Nero-Bild jüngerer Zeit in Fotografien, Filmen und Opern. „Kaum ein Herrscher der Antike hat Künstler über Jahrhunderte derart inspiriert“, sagt Direktorin Elisabeth Dühr.

Dass Nero heute noch so bekannt sei, verdanke er auch Hollywood, sagt sie. Denn es sei „Quo Vadis“ (1951) von Mervyn LeRoy gewesen, der basierend auf dem Roman von Henryk Sienkiewicz Kaiser Nero (Peter Ustinov) ein filmisches Denkmal setzte. Im Museum am Dom steht Neros Verhältnis zu den Christen mitsamt deren Verfolgung im Fokus.

„Wir wollen Nero nicht rehabilitieren, aber einen objektiveren Blick auf ihn werfen“, sagt Reuter. Seine dunklen Seiten kämen natürlich auch zur Sprache. Auch andere Kaiser der Antike hätten ihre Ehefrauen getötet oder Menschen in den Selbstmord getrieben. Nero aber sei der Einzige, der „den Tabubruch des Muttermords begangen hat.“

Das Budget der Nero-Schau beläuft sich auf rund 3,2 Millionen Euro. Das Land Rheinland-Pfalz beteiligt sich nach Angaben des Kulturministeriums mit etwa 2,3 Millionen Euro. Trier sei als älteste Stadt Deutschlands für die Ausstellung prädestiniert, sagt Reuter. Die Macher erwarten mindestens 150 000 Besuchern. „Ich schlafe sehr entspannt. Ich weiß, da kommen wir locker drüber.“