„Bestandsaufnahme Gurlitt“ Gurlitt-Schau in Bonn wirft Schlaglicht auf NS-Kunstraub

Bonn (dpa) - Mit der erstmaligen Präsentation in Bonn und Bern des spektakulären Gurlitt-Fundes wird ein Schlaglicht auf den organisierten Kunstraub der Nationalsozialisten geworfen. In der Bonner Bundeskunsthalle wurde am Donnerstag der zweite Teil der Doppelausstellung präsentiert.

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Rund 250 teilweise hochklassige Werke aus dem 2012 gefundenen Bestand von Hildebrand Gurlitt, der einer der Kunsthändler Hitlers war, werden von Freitag bis 11. März gezeigt und Opferbiografien gegenübergestellt. „Wir sehen es als historische Aufgabe an, dieses Wirken aufzuarbeiten“, sagte Bundeskunsthallenintendant Rein Wolfs. Die Ausstellung solle zudem auch verdeutlichen, „wie der NS-Kunstraub systematisch ablief“.

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Die Sammlung von rund 1500 Kunstwerken war vor gut fünf Jahren unter rechtlich umstrittenen Umständen bei Hildebrand Gurlitts Sohn Cornelius in München und Salzburg beschlagnahmt worden. Cornelius Gurlitt starb 2014 und bestimmte das Berner Kunstmuseum zum Erben aller von seinem Vater zusammengetragenen Kunstwerke.

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Die Bonner Ausstellung trägt den Untertitel „Der NS-Kunstraub und die Folgen“ und zeigt Werke etwa von Cranach, Dürer, Monet, Manet und Degas. Anhand von Biografien verfolgter jüdischer Sammler sowie Briefen und Geschäftsbüchern wird Gurlitts zwiespältige Rolle als NS-Kunsthändler aufgearbeitet.

Sechs Werke aus dem Bestand wurden bisher als Raubkunst identifiziert. In der Sammlung ist damit weit weniger Raubkunst enthalten als bisher vermutet. „Es sind nicht alle Werke Raubkunst“, sagte auch die Leiterin des „Projektes Provenienzrecherche Gurlitt“, Andrea Baresel-Brand. Bei bisher 112 Arbeiten bestehe ein Raubkunstverdacht. „Es bleibt nicht aus, dass wir Lücken haben“, sagte sie. Mitunter sei die Forschung auch „in Sackgassen gelangt“. Ende des Jahres läuft das vom Bund finanzierte Forschungsprojekt aus.

Die Bonner Ausstellung zeige, „dass hinter jedem entzogenen, geraubten Kunstwerk das individuelle Schicksal eines Menschen steht“, sagte Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Dies anzuerkennen und die Öffentlichkeit darüber aufzuklären, sei Deutschland den Opfern der Nationalsozialisten und deren Nachfahren schuldig. Die Gurlitt-Schau sensibilisiere aber auch für die Probleme, die Herkunft von Kulturgütern über Jahrzehnte zurück zweifelsfrei zu klären.

Deutschland sehe sich „in der moralischen Verantwortung“, auch in Museen weiter nach NS-Raubkunst zu forschen, sagte Grütters der „Süddeutschen Zeitung“ (Donnerstag). Deshalb habe der Bund das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste gegründet und die Mittel für Provenienzforschung auf über sechs Millionen Euro verdreifacht. „Kein Museum in Deutschland kann sich wegen fehlender Mittel der Provenienzforschung verweigern.“

Am Mittwoch waren bereits in Bern rund 150 Werke der von den Nazis als „entartet“ verfemten Kunst aus dem Gurlitt-Bestand präsentiert worden. Hildebrand Gurlitt hatte die Aufgabe, diese in Museen beschlagnahmten Werke der Avantgarde gegen Devisen ins Ausland zu verkaufen, während er als Chefeinkäufer für Hitlers geplantes „Führermuseum“ in Linz im besetzten Frankreich massenweise Kunst einkaufte.

Im Herbst 2018 soll die Doppelausstellung im Berliner Gropiusbau zu einer Schau zusammengeführt werden. Der Kunstfund Gurlitt soll dann mit erhofften neuen Forschungsergebnissen präsentiert werden.