Was sprießt denn da? Haartransplantationen füllen lichte Lücken auf
Berlin (dpa/tmn) — Es ist normal, dass Haare mit dem Alter lichter werden oder an manchen Stellen ganz verschwinden. Wie Menschen damit umgehen, ist unterschiedlich: Vom Kurzhaarschnitt und komplizierten Föhnfrisuren über Toupets und Zweithaar bis hin zum Mut zur natürlich Halbglatze ist vieles möglich.
Oder man wagt die Transplantation - Fußballtrainer Jürgen Klopp oder FDP-Chef Christian Lindner haben es vorgemacht. Doch das klappt nicht immer gut - wann das Sinn macht, hängt vor allem von der genetischen Veranlagung ab.
Aber zunächst von vorne: Warum fallen eigentlich die Haare aus? „Beim erblichen Haarausfall werden die Haare kürzer und dünner, weil sie zu empfindlich auf männliche Hormone reagieren und die Stammzellerneuerung der Haarwurzeln nachlässt“, erklärt der Dermatologe Andreas M. Finner aus Berlin. Auch Verletzungen der Kopfhaut oder Vernarbungen durch Entzündungen der Haarwurzeln können das Wachstum beeinträchtigen.
Für eine Transplantation ist es wichtig, dass noch genügend kräftige Haare vorhanden sind. „Gute Voraussetzungen bestehen, wenn bereits deutlich ausgedünnte Bereiche mit Lückenbildung vorliegen und ausreichend dichtes Spenderhaar am Hinterkopf vorhanden ist“, erläutert Finner.
Das Prinzip der Transplantation selbst ist simpel: Einzelne Haarbündel, im Fachjargon Follicular Units (FU) genannt, werden am Hinterkopf entnommen und an die kahleren Stellen verpflanzt. Dafür gibt es zwei Methoden: Bei der Follicular Unit Transplantation (FUT) entnimmt der Chirurg einen ganzen Hautstreifen am Hinterkopf. Diesen zerlegt der Arzt unter dem Mikroskop in kleine Einheiten und transplantiert sie wieder auf den Kopf. Oder man entnimmt punktuell einzelne Haarbündel und pflanzt diese in die kahlen Bereiche ein - hier spricht man von der Follicular Unit Extraction (FUE).
„Bei Kurzhaarfrisuren oder sehr straffer Kopfhaut ist die punktuelle Extraktion besser“, erklärt Finner. „Hier gibt es keine Linie als Narbe, sondern nur kleine Pünktchen.“ Da die Haare am Hinterkopf bis auf einen Millimeter rasiert werden und auch das restliche Haar kurz sein muss, ist die Streifenmethode für Patienten mit langen Haaren besser. Die Haut wird hier an der Entnahmestelle direkt vernäht, die Naht dann mit den verbliebenen Haaren überkämmt.
Neben Dermatologen führen auch plastische Chirurgen die Behandlung durch. Laut einer Patientenbefragung der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC) liegt der Anteil von Haartransplantationen bei Männern bei 1,5 Prozent aller ästhetisch-plastischen Operationen. Die Kosten liegen bei mindestens 3000 Euro, je nach Aufwand des Eingriffs auch deutlich mehr. „Man muss Patienten darauf hinweisen, dass eventuell eine zweite, dritte, vierte OP nötig werden kann“, sagt Paul Edelmann, Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie in Frankfurt am Main.
Die Erfolgsquoten sind bei Transplantationen zwar relativ hoch, über 90 Prozent der Transplantate wachsen an. „Man kriegt sie aber nie ganz so dicht hin wie früher“, erklärt Edelmann. Außerdem ist bei der Verpflanzung Genauigkeit gefragt: „Es kann sein, dass die Haare durcheinander wachsen, wenn sie nicht richtig gesetzt sind.“ Deshalb sollten Patienten sich am besten an erfahrene Praktiker wenden, die die Behandlung regelmäßig durchführen. Medizinische Verbände können hier Empfehlungen geben.
Olaf Kraußlach, Zweithaarspezialist aus Vlotho (NRW) und Mitglied im Zentralverband des deutschen Friseurhandwerks, warnt trotzdem vor schnellen Entscheidungen: „Was ich schon gesehen habe, ist, dass ein paar Reihen Haare stehen und der Rest ausfällt“, erzählt er. Oder aufgefüllte Geheimratsecken sprießen wieder, dafür fallen am Hinterkopf die Haare aus. Auch Jens Dagné von der Friseurvereinigung Intercoiffure Deutschland sieht das so: „Bei zu früh verpflanztem Haar können kleine Inselbildungen ein gruseliges Bild hinterlassen“, hat er beobachtet. Auch Vernarbungen oder Hautpusteln seien möglich.
Sein Rat lautet daher, sich so lange wie möglich mit regenerativen Maßnahmen zu befassen oder sich bei einem Spezialisten für Zweithaar zu Alternativen beraten lassen. Auch Dermatologe Finner rät zu begleitenden Maßnahmen, damit der Haarausfall nicht weitergeht. Verschiedene Wirkstoffe wie Minoxidil oder Finasterid sowie Eigenblutunterspritzungen können helfen.