#wirsindmehr Helene Fischer erhebt Stimme gegen Fremdenfeindlichkeit

Berlin (dpa) - Es scheint der von vielen geforderte Ausbruch aus der heilen Schlagerwelt in die Realität einer gespaltenen Gesellschaft zu sein: Die Schlagersängerin Helene Fischer hat bei einem Konzert in Berlin an ihre Fans appelliert, ein Zeichen gegen Rassismus und Gewalt zu setzen.

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„Erhebt gemeinsam mit mir die Stimmen: gegen Gewalt, gegen Fremdenfeindlichkeit“, sagte sie am Dienstagabend auf der Bühne der Mercedes-Benz-Arena, wie in einem Video zu sehen ist.

Zuvor hatte Fischer die Regel erwähnt, der sie sonst folgt: „Ich äußere mich nicht oft zu politischen Dingen, gebe nie politische Statements, denn meine Sprache ist die Musik.“ Doch an diesem Abend wolle sie „auch ein Zeichen“ setzen.

In sozialen Netzwerken gab es danach viele Reaktionen, darunter war auch der Grünen-Politiker Jürgen Tritttin, der twitterte: „Sind wir nicht alle ein bisschen #HeleneFischer?“ Andere twitterten „Feine Sahne Helene Fischer Filet“ in Anspielung auf die linke Punk-Band Feine Sahne Fischfilet.

Bei dem Konzert handelte es sich um das erste von mehreren Nachholkonzerten. Im Februar hatte Fischer („Atemlos“) wegen einer Infektion mehrere Shows in der Hauptstadt abgesagt.

Wenige Stunden vor dem Auftritt hatte die 34-Jährige sich auf Instagram und Facebook noch eher vorsichtig zu den ausländerfeindlichen Übergriffen in Chemnitz positioniert. „Wir können und dürfen nicht ausblenden, was zur Zeit in unserem Land passiert, doch wir können zum Glück auch sehen wie groß der Zusammenhalt gleichzeitig ist - das sollte uns stolz machen.“

Ihren Post reicherte Fischer, die 1984 im sibirischen Krasnojarsk geboren wurde und als Kleinkind mit ihren Eltern nach Rheinland-Pfalz zog, mit dem durch das Chemnitzer Konzert gegen Rechts bekanntgewordenen Hashtag #wirsindmehr an. Außerdem setzte sie Hashtags wie #wirbrechendasschweigen und #schreiteslaut.

In Chemnitz wurde Ende August ein Deutscher erstochen. Nach der Tat gab es Demonstrationen von Rechtsgerichteten, Neonazis und Gegnern der Flüchtlingspolitik, dabei kam es zu Übergriffen auf Polizisten, Journalisten und Ausländer. Unter dem Motto „#wirsindmehr“ gaben Künstler wie Feine Sahne Fischfilet, Die Toten Hosen, Kraftklub, Marteria und K.I.Z. am Montag ein Gratiskonzert gegen Rechts in Chemnitz. Rund 65.000 Menschen kamen zu der Veranstaltung.

Der Songwriter Bosse hatte in diesem Zusammenhang gefordert, dass sich mehr erfolgreiche Musiker zu Wort melden sollten.

Die Aussage „Wir brechen das Schweigen“ (so heißt auch ein Lied von ihr) scheint deshalb gerade bei Helene Fischer eine emotionalisierende Brisanz zu haben. Immer wieder in den letzten Jahren wurde die Musikerin direkt aufgefordert, sich politisch zu äußern. Udo Lindenberg sagte schon vor zwei Jahren in der „Rheinischen Post“, er fände es gut, wenn nicht nur von den üblichen Verdächtigen wie BAP, den Toten Hosen, Jan Delay und Clueso ein Zeichen komme, sondern „wenn von Helene Fischer auch mal ein Statement käme gegen Rechtspopulismus“.

Gerade in der als konservativ geltenden Schlagerszene halten sich traditionell viele Stars zurück, wenn es um Politik und eindeutige Positionierung geht. Als Ausnahme von der Regel dürfte der bekennende Sozialdemokrat Roland Kaiser gelten.

TV-Entertainer Klaas Heufer-Umlauf legte Fischer vor einem Jahr in einem „Spiegel“-Interview sogar Formulierungen nahe, wie sie sich in der Flüchtlingsfrage äußern könnte: „Helene Fischer müsste doch nur einmal sagen: 'Hierher kommen Menschen, die unsere Hilfe brauchen. Lasst uns denen helfen. Meine Empfehlung, Ihre Helene Fischer.' Sie muss keine ewig langen Facebook-Posts schreiben. Ein Satz vor einem Konzert würde reichen. Die Leute würden ihr zuhören.“

Auch in der Antisemitismus-Debatte um die Rapper Kollegah und Farid Bang nach der Echo-Verleihung wurden Fischer Vorwürfe gemacht, sie positioniere sich nicht. Nach einigen Tagen aber äußerte sich Fischer und schrieb, sie habe es „unangemessen und beschämend“ gefunden, die beiden Rapper bei der Preisverleihung in dieser Art „performen“ zu sehen. Der Musikpreis sei jahrelang ein Publikumspreis gewesen, auf den man stolz sein konnte. Sie habe sich über jeden einzelnen sehr gefreut. „Trotzdem finde ich, hätte man vorher überlegen sollen, ob man Gewalt, Hass und Wut eine solch große Präsenz im Fernsehen geben muss. Ich nehme an, dass ihr mir zustimmt, wenn ich hier sage: Nein.“