Hilary Swank im Interview: Eine Rolle, die das Leben schrieb

Hilary Swank ist im Kino als Juristin Betty Anne Waters zu sehen, die alles unternimmt, ihren Bruder zu retten.

Düsseldorf. Die schauspielerische Leistung, die Hilary Swank seit Beginn ihrer Karriere unter Beweis stellt, ist außergewöhnlich: So spielte sie zum Beispiel in ihrer ersten Hauptrolle in „Boys Don’t Cry“ eine junge Frau, die sich als Mann ausgibt. Für eine Rolle, für die sie gerade mal 3.000 Dollar Gage kassiert hatte, gewann sie den Oscar. Jetzt ist Hilary Swank als „Betty Anne Waters“ im Kino zu sehen, einer Geschichte eines Justizirrtums, die so unglaublich ist wie wahr.

In „Betty Anne Waters“ schafft es eine Kellnerin ohne Schulabschluss, ihren unschuldigen Bruder aus dem Gefängnis zu holen. Könnten Sie solch ein Opfer bringen?

Swank: Das ist die Frage, die sich jeder nach diesem Film stellt. Mir ging’s genau so, als ich das erste Mal davon hörte. Ich staunte nur: „Was für eine außergewöhnliche Person, die 18 Jahre ihres Lebens einem anderen Menschen widmet.“

Haben Sie mit Betty Anne Waters für diesen Film zusammengearbeitet?

Swank: Sehr eng sogar. Ich war erstaunt, dass diese Frau nicht verbittert ist — nach allem, was die Justiz ihrer Familie angetan hat. Aber sie ist eine sehr aufgeschlossene, heitere Person, die sagen würde: „Warum verbittert sein? Dann hätten die Leute, die uns schikaniert haben, weiterhin mein Leben im Griff.“

War diese Arbeit für Frau Waters eine Art Heilungsprozess?

Swank: Oh ja. Am Set waren unsere Sessel voller Taschentücher, weil Betty Anne durch den Film alles noch mal durchlebt hat. Aber sie war stolz, ihrem Bruder Kenny, der 18 Jahre unschuldig im Gefängnis verbracht hat, ein Denkmal zu setzen.

Wie war es für Sie, eine real existierende Person zu spielen?

Swank: Das ist nicht ohne. Man hat nicht mehr „die Lizenz zum Erfinden“, sondern ist an die Realität gebunden.

Wie sind Sie vorgegangen?

Swank: Ich habe mir wochenlang die Tonbänder angehört, die die Drehbuchautorin Pamela Gray und Regisseur Tony Goldwyn aufgenommen hatten, als sie von Betty Annes Geschichte erfuhren und dieses Filmprojekt in Angriff nahmen. Darauf hat sie ihre Geschichte erzählt und ihre Gefühle preisgegeben. So habe ich ihr Innerstes kennengelernt.

Sie scheinen mit Waters mindestens eins gemeinsam zu haben: Einen starken Willen als Motor Ihres Handelns.

Swank: Stimmt — wenn ich an etwas glaube, dann gebe ich alles dafür. Ich bin wie Betty Anne in sehr einfachen Verhältnissen aufgewachsen. Wenn man kein Geld hat, ist es schwer, sich Wünsche zu erfüllen. Also müssen Leute wie ich nach anderen Wegen suchen, um voranzukommen.

Wer hat Ihnen beigebracht, an Ihren Träumen festzuhalten?

Swank: Meine Mutter. Sie hat mir eingetrichtert, dass ich alles werden kann, was ich will, solange ich hart dafür arbeite und nicht dulde, dass sich mir jemand in den Weg stellt. Wir wohnten lange in einer Wohnwagensiedlung. Meine Freunde waren Film — und Buchfiguren wie „Der Elefantenmensch“ oder „E.T.“.

Mit denen habe ich mich identifiziert, denn viele Eltern ließen mich nicht mit ihren Kindern spielen. Darum war ich immer so verrückt nach Filmen. Irgendwann wurde mir auch klar, dass hinter den Figuren Schauspieler stecken. Dass es ein Beruf ist, solche Geschichten zu erzählen.