„I love my prophet“: Mode mit Aussage

Ein Wittener Designer entwirft aussagekräftige Mode für Muslime. Die soll nicht nur schick sein, sondern auch ein positives Islam-Bild vermitteln. Experten sprechen von „Pop-Islam“.

Witten (dpa/lnw) - Melih Kesmen wollte ein Zeichen setzen und als Designer setzte er es mitten auf seine Brust: „I love my prophet“. Mit diesen vier Wörtern auf dem T-Shirt lief der gläubige Muslim aus Witten im Ruhrgebiet 2005 durch London, wo er damals mit seiner Frau lebte und arbeitete. „Kurz zuvor war der Streit um die Mohammed- Karikaturen und ich hatte ständig das Gefühl, die Menschen denken, ihr netter muslimischer Nachbar könnte ein Bombenleger sein. Das hat mich angekotzt“, sagt der 35-Jährige mit der markanten schwarzen Brille und dem kleinen Bärtchen. „Das T-Shirt sollte zeigen: Jetzt reicht's.“

Immer mehr Menschen sprachen ihn auf der Straße an. „Die Worte "love" und "islam" auf einem T-Shirt schienen für Verwirrung zu sorgen. Ich war selber überrascht - vor allem von dem vielen positiven Feedback.“ Das T-Shirt habe ihm geholfen, sagt Kesmen. „Es hat mir ein Stück von meiner Ohnmacht genommen und mir gezeigt, dass ich nicht allein bin.“

Sechs Jahre später sind aus dem einen T-Shirt längst tausende geworden. Mit seiner Firma „StyleIslam“ beliefert Kesmen aus dem Ruhrgebiet heraus die ganze Welt mit seinen Kreationen: Taschen, Armbänder, Mützen, Ketten, Wandleuchten und natürlich T-Shirts. Viele der mehr als 120 Produkte sind in Graffiti-Optik bedruckt mit Sprüchen wie „Terrorism has no religon“, „Drop love, not bombs“, „Muslim by nature“ oder „Go halal“. Ein T-Shirt mit der Aufschrift „Jesus was a Muslim“ hat er nach Protesten aus Bayern wieder aus dem Programm genommen.

„Am besten läuft immer noch das "I love my prophet"-Shirt“, sagt Kesmen, der inzwischen auch zu Vorträgen an Schulen und Universitäten oder bei Tagungen eingeladen wird. „Davon haben wir tausende verkauft.“ Es gibt die T-Shirts auch für Frauen - allerdings nie zu eng oder mit weitem Ausschnitt.

„Das Design spricht Jugendliche an“, meint die 19-jährige Sevde Özdemir. Sie geht in die achte Klasse einer Oberschule im österreichischen Kirchdorf an der Krems und hat über Freunde und aus dem türkischen Fernsehen von „StyleIslam“ erfahren. Sie bezeichnet sich als religiös, trägt Kopftuch und arbeitet ehrenamtlich in einer Moschee. „Die Sachen von "StyleIslam" schauen gut aus und das Design vermittelt etwas. Es provoziert nicht, sondern ist verständlich, kurz und präzise.“

Anfragen für die Kreationen von Melih Kesmen, die preislich zwischen 7 und 190 Euro liegen, kommen aber nicht nur aus Deutschland und Österreich - sondern inzwischen sogar aus Australien, Südafrika und Kasachstan. In Istanbul und Saudi-Arabien gibt es eigene „StyleIslam“-Läden, die nächsten sind in Wuppertal und Dortmund geplant.

Zum Umsatz der Firma will der Familienvater nichts sagen - aber er könne inzwischen gut davon leben, genau wie seine Frau, sein Bruder und mehrere Azubis, die er alle nach und nach eingestellt hat. Ihr Büro im ersten Stock eines Mehrfamilienhauses in der Wittener Innenstadt ist strahlendweiß eingerichtet. Kesmens Frau Yeliz und die weiblichen Azubis tragen Kopftuch. Fünfmal am Tag beten sie, manchmal auch gemeinsam, den Kopf immer ins mehr als 4300 Kilometer südöstlich von Witten gelegene Mekka gerichtet.

Menschen wie Melih Kesmen und seine Frau ordnen Experten dem „Pop- Islam“ zu. „Das ist eine Strömung unter explizit muslimisch- religiösen Jugendlichen“, erklärt die Rostocker Erziehungswissenschaftlerin und Jugendforscherin Claudia Lübcke. „Es ist nicht Islam-Light. Die Mitglieder dieser Strömung orientieren sich stark am Koran und den entsprechenden Alltagspraktiken.“

Weitere Kennzeichen: In Deutschland geboren und aufgewachsen, häufig weiblich, bildungs- und karriereorientiert, gutes Deutsch, engagiert in muslimischen Jugendorganisationen und reflektierte, selbstbewusste Herangehensweise an den Islam - aber all das mit einem sehr westlichen Kleidungsstil. Von religiösen Fanatikern distanzieren sie sich. Wie viele Muslime in Deutschland dieser Strömung zuzuordnen seien, sei nicht abzuschätzen, sagt Lübcke. „Aber ich kann mir vorstellen, dass viele Nicht-Muslime es sehr sympathisch finden, dass jemand zwar seine Botschaft nach außen trägt, aber mit einer gewissen Leichtigkeit.“

Der Pop-Islam als mögliche Brücke zwischen den Kulturen? „Ich kann es nur vermuten“, sagt Lübcke. Designer Melih Kesmen sieht sich jedenfalls so. „Letztendlich bin ich doch ein Pottkind - wie alle anderen hier auch.“