Interview mit Ulrich Tukur: Der „Tatort“ ist kein Ritterschlag
Schauspieler Ulrich Tukur über seine Rolle als Felix Murot und sein generelles Verhältnis zur Krimireihe der ARD.
Berlin. Am Sonntag (20.15 Uhr) ist Schauspieler Ulrich Tukur zum zweiten Mal als krebskranker „Tatort“-Ermittler Felix Murot in der ARD zu sehen. Es verspricht kein Tatort wie jeder andere zu werden.
Herr Tukur, Ihr zweiter „Tatort“ in der Rolle des tumorkranken LKA-Ermittlers Felix Murot ist mehr Krimi-Groteske. Im Vorfeld sagten Sie, der Film könne nur Kult oder Katastrophe werden. Was ist es nun für ein Film geworden?
Ulrich Tukur: Es ist ein sehr wagemutiger Film, und ich finde ihn gelungen. Er wird seine Fans haben, aber sicherlich auch für Verstörung sorgen und einigen eingefleischten, konventionellen Zuschauern nicht gefallen. Wir reizen dieses ansonsten sehr robuste Format „Tatort“ wirklich bis zum Zerreißen aus.
Ihre Rolle des Ermittlers Felix Murot wird von seinem eigenen Tumor verfolgt, der sich in Gestalt einer überdimensionalen Haselnuss einen Schlagabtausch mit ihm liefert.
Tukur: Wir wollten ein phantastisches Divertimento kreieren. Die Reise eines Kommissars in das Innere seines Kopfes. Das generiert dann solche Bilder, wie Sie sie im Film sehen. Ich finde, unser Kommissar hat Tiefe, einen wunderbaren Unterhaltungswert und nach wie vor eine Menge Potenzial. Solange diese Figur lebendig bleibt und Murot diesem absurden Abenteuer Leben, dem er da ausgesetzt ist, immer wieder eine neue Facette abgewinnt und aufrecht weiterläuft, kann ich mir durchaus vorstellen, dass wir die Figur auch weiter vorantreiben.
Wie weit können Sie es noch auf die Spitze treiben, was Sie mit dieser Figur anstellen?
Tukur: Ich glaube, dass wir den nächsten „Tatort“ schon wieder ganz anders erzählen werden. Die zweite Folge ist der Versuch zu schauen, wie weit wir gehen können und wie weit die Zuschauer bereit dazu sind, diese Reise mitzugehen. Aber dass der „Tatort“ nach 40 Jahren mal etwas Verrücktes, etwas Innovatives braucht, das ihm ein bisschen den Teppich unter den Füßen wegzieht, steht ja außer Frage. Ich hoffe, dass wir dieses Format so ein bisschen neu beleben können.
Sie haben sich durch die Krankheit Ihres Ermittlers eine jederzeit einlösbare Ausstiegsoption geschaffen. Wann macht sich das in der Arbeit bemerkbar?
Tukur: Überhaupt nicht. Das war ja die Prämisse von Anfang an. Ich arbeite mit den Verantwortlichen des Hessischen Rundfunks auf Augenhöhe. Wir setzen uns immer zusammen, um eine neue Episode auszubaldowern. Dann hab ich eine Idee, die haben eine Idee, und wir überlegen zusammen, welchen Regisseur wir nehmen könnten und welchen Drehbuchautor. Das ist eine sehr emanzipierte Zusammenarbeit. Ich liebe das. Das habe ich auch auf der Bühne immer so getan.
Nachdem Sie zunächst abgesagt hatten.
Tukur: Ja. Ich finde es eigentlich nicht interessant, „Tatort“-Kommissar zu sein.
Sie würden den Job also nicht weiterempfehlen?
Tukur: Eigentlich nicht. Wenn man andere Optionen hat, sollte man das eher nicht tun. Denn man wird sehr sichtbar in der Rolle, und sobald man zwei Folgen pro Jahr dreht, könnte man Schwierigkeiten bekommen, für andere Rollen angefragt zu werden. Man hängt sein Gesicht zu intensiv in die Zuschauer-Landschaft hinein. Das ist nicht ungefährlich. Für mich persönlich war es nur denkbar mit diesem extremen Charakter und dessen unerhörten Lebensumständen, der nicht zu oft über den Bildschirm flackert, also maximal ein Mal im Jahr. Aber dass man das unbedingt werden will oder dass es gar ein Ritterschlag sei, das kann ich nicht nachempfinden.