Jane Goodall: Die Frau, die mit den Affen lebte
Verhaltensforscherin Jane Goodall war in Gladbach zu Gast. Ein Gespräch über Schimpansen, Natur und Kofferpacken.
Mönchengladbach. Mit fünf Jahren besucht sie zum ersten Mal einen Bauernhof, mit zehn Jahren liest sie die Geschichte von Tarzan, mit 18 reist sie nach Afrika.
Obwohl sie nicht studiert hat und ihre Methoden in der Wissenschaft anfangs nicht unumstritten sind, wird sie eine der berühmtesten Schimpansen-Forscherinnen der Welt. Noch heute, mit 78 Jahren, reist die Britin durch die Welt — jetzt jedoch als Aktivistin.
„Der erste Kontakt zu einem Schimpansen war im Londoner Zoo. Da habe ich aber nichts über die Tiere, sondern eher etwas über schlechte Zoos gelernt“, erzählt Goodall in Mönchengladbach. Dort hält sie einen Vortrag über ihr Leben mit den Schimpansen und ihren Kampf für mehr Nachhaltigkeit.
Auf den ersten Blick wirkt sie wie eine nette Dame gesetzteren Alters. Wenn sie jedoch zu reden beginnt, strahlt ihr ganzer Körper eine Weisheit und Energie aus, die jeden Zuhörer sofort in den Bann ihrer Worte ziehen. „Wir haben eine Gabe und zwar, dass wir mit anderen Menschen kommunizieren können, und diese muss ich nutzen“, sagt sie.
Um Geld zu verdienen, jobbt sie nach ihrem Schulabschluss als Sekretärin und Kellnerin. Auf Einladung einer Schulfreundin reist sie 1957 zum ersten Mal nach Kenia. Kurz darauf engagiert sie der Anthropologe Louis Leakey als Assistentin. In Gombe, Tansania, lebt sie 35 Jahre mit Schimpansen zusammen, studiert deren Familienleben und Verhalten.
„Das Faszinierende an ihnen ist, wie ähnlich sie uns sind. Sie haben ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten und Gefühle. Sie haben eine wunderbare Familienstruktur und zeigen auch eine dunkle Seite — so wie wir Menschen“, erzählt Goodall.
Neben all der Begeisterung, erinnert sie sich jedoch auch an schwere Zeiten. Da sie erst 1965 dank einer Ausnahmegenehmigung ohne Studium ihren Doktortitel macht, wird sie in der Wissenschaft teils kritisch beäugt.
„Sie mochten meine Methoden nicht“, sagt die 78-Jährige. So war es zu der Zeit üblich, den beobachteten Tieren Nummern zu geben. Goodall gab ihnen Namen. „Man gibt doch seinem Hund auch einen Namen und keine Nummer.“
Während ihrer Forschungszeit entdeckt sie, dass Schimpansen Werkzeuge benutzen, Fleisch fressen und sogar Jagd auf andere Affenarten machen. „Besonders beeindruckend finde ich, wie unterschiedlich Schimpansen-Mütter ihre Kinder großziehen und was für einen Unterschied das für die Kinder macht“, erzählt Goodall.
Heute ist sie nur noch selten in Afrika — zwei oder drei Tage und im Schlepptau Journalisten oder Kamerateams. „Ich vermisse es, alleine in der Wildnis zu sein.“ Nach einer Konferenz wacht sie 1986 morgens auf und ihr ist klar, dass sich etwas ändern muss.
„Es war keine bewusste Entscheidung. Ich habe einfach nur realisiert, dass die Schimpansen und ihre Umgebung sehr schnell verschwinden. Sie haben mir so viel gegeben, jetzt war es Zeit, ihnen etwas zurückzugeben.“
Seitdem ist sie 300 Tage im Jahr unterwegs. Sie spricht in Schulen, gibt Pressekonferenzen und schreibt Bücher. „Roots & Shoots“ (Wurzeln & Sprösslinge) — ein Projekt für Kinder, die sich für Tiere und die Umwelt engagieren möchten, — gibt es mittlerweile in mehr als 100 Ländern.
Goodall ist jedoch nicht gerne so viel unterwegs: „Ich hasse das Reisen — ich hasse Koffer, und ich hasse es, zu packen.“ Doch für sie gibt es keine andere Möglichkeit. „Ich werde so lange weitermachen, wie ich lebe. Es gibt noch so viel in der Welt, das falsch läuft.“