Jede fünfte Lebensmittelprobe mit Dioxin belastet
Berlin (dpa) - Im Dioxin-Skandal haben Prüfer bisher 19 verseuchte Proben bei Eiern und Geflügel entdeckt. Das ist mehr als jede fünfte untersuchte Probe. Für die Futterbranche sollen nun strengere Regeln gelten.
Wie der krebserregende Stoff ins Tierfutter kam, ist weiter unklar.
Bei den Lebensmittel-Proben handelte es sich um 18 Proben von Eiern und eine Probe von Legehennenfleisch, wie aus einer Aufstellung des Verbraucherschutzministeriums in Berlin hervorgeht, die der Deutschen Presse-Agentur am Montagabend vorlag. Insgesamt wurden demnach 87 Proben ausgewertet. Proben bei Hähnchen, Puten- und Schweinefleisch sowie bei Kuhmilch wiesen bisher keine Überschreitung von Grenzwerten auf.
Tausende wegen Dioxin-Verdachts gesperrte Agrarbetriebe dürfen inzwischen wieder ihre Produkte verkaufen. Nach Angaben von Montagabend waren noch 558 Betriebe gesperrt, davon 330 in Niedersachsen, 143 in Nordrhein-Westfalen und 62 in Schleswig- Holstein. Zeitweise waren bis zu 5000 Agrarbetriebe vorsorglich gesperrt worden.
Bundesagrarministerin Ilse Aigner will schärfere Regeln für die Futtermittelbranche, um weitere Dioxin-Fälle zu verhindern. Die CSU- Politikerin forderte „konkrete Vorschläge“. „Dieser Fall muss und er wird Konsequenzen haben“, sagte Aigner am Montag nach einem Krisentreffen mit Spitzenvertretern der Branche in Berlin.
Der Chef der Verbraucherschutzorganisation foodwatch, Thilo Bode, betonte mit Blick auf die bisher bekanntgewordenen Proben: „Der Verbraucher ist insofern mal wieder das Opfer, weil er wahrscheinlich schon das meiste, was durch Dioxin kontaminiert war, gegessen hat.“ Deswegen könne nicht die Rede davon sein, alles sei gar nicht so schlimm.
Weitere Diskussionen gab es darüber, wie das Dioxin ins Tierfutter gelangen konnte. Foodwatch erklärte, Rückstände aus Pflanzenschutzmitteln könnten für die hohe Dioxinbelastung von Futtermitteln verantwortlich sein. Allerdings deckt sich der Verdacht nicht mit bisherigen Erkenntnissen staatlicher Lebensmittelchemiker, wie Peter Fürst vom Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) in Münster der dpa sagte. Die Proben hätten die Chemiker überrascht, die Zusammensetzung des Gifts sei sehr ungewöhnlich.
Das Dioxin soll in einer Firma im niedersächsischen Bösel in das Futterfett gekommen sein. Das Unternehmen arbeitet als Spedition für Fette. Die Futterfettproduktion wurde dort wohl illegal betrieben. Die Firma ist ein Partnerunternehmen von Harles und Jentzsch in Schleswig-Holstein, das die Dioxin-belasteten Futterfette vertrieben hatte und nun im Fokus der Ermittlungen steht.
Die EU-Kommission kritisierte Importverbote anderer Staaten von Eiern oder Fleisch aus Deutschland als überzogen. „Das sind übertriebene Reaktionen angesichts der aktuellen Lage in Deutschland“, sagte der Sprecher von EU-Verbraucherkommissar John Dalli in Brüssel. Die Dioxinbelastung der Produkte bedeute „keine unmittelbare Gefahr“ für Verbraucher.
Südkorea blockiert seit Mitte vergangener Woche Schweinefleisch aus Deutschland. Nach Angaben der EU-Kommission sprach das EU- Mitglied Slowakei dagegen kein vergleichbares Verbot aus. Allerdings verteidigte der slowakische Agrarminister Zsolt Simon am Montag das von ihm am Freitag verhängte vorübergehende Verkaufsverbot für Eier und Hühnerfleisch aus Deutschland.
Europäische Futterfett-Hersteller wollten am Montag in Brüssel mit der EU-Kommission tagen, um über die Trennung von Industrie- und Futterfetten in Produktion und beim Transport zu beraten. Auch Aigner will eine solche Trennung in Deutschland durchsetzen.
Die deutschen Futtermittelhersteller warnten vor blinder Kontrollwut. „Man kann Sicherheit in ein Produkt nicht hineinkontrollieren“, sagte der Geschäftsführer des Deutschen Verbands Tiernahrung (DVT), Bernhard Krüsken. Vielmehr müssten sich die Kontrollen auf besonders sensible Herstellungsprozesse konzentrieren. Auch Krüsken forderte eine grundsätzliche Trennung der Verarbeitung von Futterfetten und Industriefetten auf Betriebsebene.
Am Dienstag will sich Aigner in einer Sondersitzung des Verbraucherausschusses des Bundestags den Fragen der Abgeordneten stellen. Die SPD forderte die Einführung einer zentralen Warnplattform für gefährdete Lebensmittel.
Foodwatch hatte erklärt, die hohe Dioxinbelastung ergebe sich „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ aus dem Muster einer Futterfett-Probe, die von dem in Bösel sitzenden Partnerunternehmen von Harles und Jentzsch stammt. Die Organisation gab an, die Analyse der Dioxin- und Furanverbindungen in der Probe weise auf Rückstände einer Pentachlorphenol-Verbindung hin, wie sie als Pilzgift eingesetzt werde. In Deutschland darf Pentachlorphenol seit 1986 nicht mehr produziert und seit 1989 nicht angewendet werden.