Jubel für „Ariadne auf Naxos“ in Salzburg

Salzburg (dpa) - Die Kunst heilt alle Wunden: Ariadne sinkt in Bacchus' Arme, die trauernde Gräfin nimmt den galant dargebotenen Arm des Dichters, und selbst der vorübergehend zum Edlen avancierte Monsieur Jourdain weiß sich plötzlich „nichts Schöneres“ als die zuvor geschmähte Oper:

Strauss hat sie alle verzaubert in der Neudeutung der Oper „Ariadne auf Naxos“ im Haus für Mozart, und das Publikum gleich mit. Die Premiere am Sonntagabend hat den Salzburger Festpielen einen ersten unbestrittenen Höhepunkt beschert.

Es ist ein runder Volltreffer für alle: Für Sven-Eric Bechtolf, den neuen Schauspieldirektor, der sich hier beim Festival gleichzeitig als Opernregisseur vorstellt und mit einer beherzten Bearbeitung zu Werke ging. Für Dirigent Daniel Harding, der am Pult der Wiener Philharmoniker für den erkrankten Riccardo Chailly einsprang und die Produktion mit Schwung und feinem Sinn für die melodiösen Schattierungen in einen musikalisch stimmigen Rahmen goss.

Für die Ausstatter Marianne und Rolf Glittenberg, die sich in stimmigem, anspielungsreichen Dekor von Commedia dell'Arte über Rokoko bis zur nüchternen Moderne ergehen, ohne des Guten zu viel zu tun. Und vor allem für die Darsteller: Cornelius Obonya als hoffnungsfroher Emporkömmling aus Molières Feder gibt mit Haufhofmeister Peter Matic ein Komödienpaar vom alten Schlag, das seine Pointen zu setzen weiß.

Emily Magee als Ariadne überzeugt mit vollem, weichen Sopran als verzweifelt Liebende und Trauernde, die im sonoren Bacchus des Jonas Kaufmann zunächst den Tod, dann doch eine neue Liebe als Retter sieht. Die temperamentvolle Elena Mosuc als Strippenzieherin Zerbinetta genießt die Avancen ihrer Buffo-Truppe, die einmal mit Scootern, dann als Revue-Artisten mit Regenschirmballett Laune macht.

Die vor 100 Jahren uraufgeführte Oper der Festspiel-Mitbegründer Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal, die mit Hilfe von Molières „Bürger als Edelmann“ als Spiel im Spiel die Komödie der ernsten Oper gegenüberstellt, ist seit Beginn ein Dauerbrenner bei dem Festival. Bechtolf entgeht Vergleichen mit der vielfältigen Aufführungsgeschichte, die zuletzt 2001 mit Jossi Wielers und Sergio Morabitos tief melancholischer Deutung einen großen Erfolg verzeichnete, durch einen Kunstgriff.

Er fügt dem doppelten Spiel eine weitere Ebene hinzu: Die in Briefwechseln verbürgte vorsichtige, zumindest unterschwellig erotische Annäherung des Textdichters und der haltlos um ihren verstorbenen Mann trauernden Ottonie (Gräfin Degenfeld). Damit bekommt das doppelte Spiel eine runde, stimmige Klammer.

Das spielfreudige, gut abgestimmte Ensemble, das von der Komödie über das Ballett bis zur tragischen großen Oper alle Register zieht, punktet auf allen Ebenen. Und Bechtolf gelingt ein mehrfacher Treffer: Er erweist den Festspiel-Gründern Hofmannsthal, Strauss und Max Reinhardt, der in Gestalt von Peter Simonischek als „Jedermann“ auftreten darf, gleichermaßen die Reverenz, feiert die Kunst durch sich selbst und beschert der Ära Pereira in Salzburg einen ersten Triumph.