Jubiläum: Sandwich feiert Sandwich

London (dpa) - Das Telefon klingelt. „Es ist John, der Earl of Sandwich“, gibt Mandy Wilkins zu verstehen. John Montagu ist der Nachfahre des Grafen, der im 18. Jahrhundert Anlass war für eine bahnbrechende kulinarische Erfindung: das Sandwich.

Der Fast-Food-Klassiker soll vor exakt 250 Jahren erstmals auf den Tisch gekommen sein. Der vierte Earl of Sandwich war ein leidenschaftlicher Spieler. Bei einer Kartenpartie verspürte er mächtig Kohldampf, aber konnte sich nicht vom Kartentisch lösen: Die Wirtin brachte ihm zwei Brote mit Rindfleisch dazwischen. Das Sandwich war geboren. So besagt es zumindest die Legende.

Am 12. und 13. Mai feierte der Klassiker nun 250. Geburtstag, auf dem Kopfsteinpflaster der Gassen und Straßen der mittelalterlichen Stadt an der englischen Südostküste in Kent herrschte zwei Tage lang Party nonstop. Im verschlafenen Sandwich eine absolute Seltenheit.

„Der Earl wollte noch etwas wegen des Festes abklären“, erklärt Mandy Wilkins nach dem Telefonat. Die Mittsechzigerin gehört zum dreiköpfigen Organisationskomitee der Feierlichkeiten. Sie ist auch Sprecherin der Sandwich-Society. Für Rentner gibt es in dem 4500-Seelen-Ort sonst nicht viel zu tun. „Die meisten spielen Golf“, stöhnt Mandy. „Wie langweilig!“

Die Geburtstagsfeier sollte die Bilderbuchstadt mit ihren zahlreichen denkmalgeschützten Gebäuden endlich aus ihrem Dornröschenschlaf wecken. Ob die Besucher auch in Zukunft kommen? Mandy Wilkins hofft es sehr. „Was wir hier brauchen, wäre ein Millionär.“ Denn der könnte die Visionen von Wilkins und ihren Mitstreitern von der „Sandwich Society“ verwirklichen: ein lebendiges Museum, in dem Schauspieler die wechselvolle Geschichte der Stadt nachspielen.

Überhaupt könnte ein wohlhabender Sponsor Marketing-Aktivitäten für die Stadt mit der höchsten Dichte an mittelalterlichen Häusern in ganz England finanzieren. „Die Stadtverwaltung unternimmt so gut wie gar nichts“, beschwert sich Wilkins. „Für das Fest hatten sie vielleicht 50 Pfund (rund 60 Euro) übrig.“ Hauptsponsor des Fests war Orlando Montagu, der Sohn des 11. Earl of Sandwich, der eine Sandwichkette gegründet hat. In der Stadt selbst sucht man jedoch vergeblich nach einer Filiale.

Beim Rundgang durch die Straßen mit ihren alten Cottages und dem kleinen Park begegnen uns fast nur grauhaarige Menschen jenseits der 60. Beim Sandwich-Wettbewerb, dem Barockkonzert und den Theateraufführungen waren sie am Wochenende alle dabei. „Schade ist allerdings, dass sonst die meisten einfach nur ihre Ruhe haben wollen. Und die wird, so denken sie, von Touristen gestört.“

Das bedauert auch Bürgermeister Jeremy Watts. „Wir von der Stadtverwaltung haben ja auch keine Ahnung von Marketing“, sagt der 75-jährige Gentleman in der Tweedjacke. „Aber dafür haben wir ja jetzt zum Glück Mandy und ihre Freunde.“ Sandwich sei einmal die wichtigste Hafenstadt Englands gewesen, erklärt der Bürgermeister. Heute bangen die Angestellten bei Pfizer, dem großen Pharma-Konzern und einzigen großen Arbeitgeber in der Umgebung, um ihre Arbeit. „5000 Leute haben dort mal gearbeitet, heute sind es noch 700“, sagt Watts. Junge Familien wandern ab.

„Deshalb ist der Tourismus so wichtig“, sagt Mandy Wilkins. Ob nicht der Earl of Sandwich investieren kann? „Der lässt sich hier sonst leider so gut wie nie blicken.“