Kambodschas Moderne wird dem Verfall preisgegeben

Kep (dpa) - Kambodscha, das ist für die meisten Besucher die Tempelstadt Angkor Wat. In den Städten des südostasiatischen Landes verbergen sich jedoch noch ganz andere Architekturjuwelen - aber sie sind bedroht.

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Die Villen aus Kambodschas modernistischer Ära drohen für immer zu verschwinden. Die Bauten werden dem Verfall preisgegeben, und Bodenspekulanten haben es auf die Grundstücke abgesehen. Die Unesco versucht nun eine Bestandsaufnahme - um zu retten, was noch zu retten ist.

Nahe der Küstenstadt Kep ragen Betonskelette aus verwaisten Feldern. Um sie herum türmt sich der Müll, Rinder suchen in den Ruinen Schutz vor dem Monsunregen. Die einst klaren Kanten und eleganten, oft asymmetrischen Fassaden sind überwuchert. Diese Häuser, denen das tropische Klima Kambodschas sehr schlecht bekommt, gehören zu den letzten verbleibenden Privathäusern im Stil der sogenannten „Neuen Khmer Moderne“, die kurz nach Ende der französischen Kolonialherrschaft 1953 erbaut wurden.

Sie unterscheiden sich von den ortsüblichen mehrstöckigen Ladenhäusern, auch mit den traditionellen, reich verzierten Holzhäusern haben sie kaum etwas gemeinsam. Diese Fusion aus westlichem Modernismus und kambodschanischer Architektur ist Teil des größten Wandels der örtlichen Baukunst seit dem Bau von Angkor Wat im 12. Jahrhundert, meint Architekt Martin Aerne.

„Es war eine intensive Suche nach einer neuen Identität und einem Platz in der internationalen Gemeinschaft nach der Unabhängigkeit“, sagt Aerne, der an der Kunstuniversität in Phnom Penh unterrichtet. Seit dem Untergang des Reiches von Angkor hatte es kaum Innovation gegeben.

Vorreiter der Khmer-Moderne war Van Molyann. Kambodschas Herrscher, Prinz Norodom Sihanouk, hatte sich von dem Schüler von Le Corbusier einen modernen Palast in Kep bauen lassen. Auch in Phnom Penh und Sihanoukville entstanden modernistische Bauten. Die Hauptstadt Phnom Penh überstrahlte für wenige Jahre Bangkok oder Singapur.

Doch die Moderne blühte nur kurz: In den 1970er-Jahren übernahmen die radikal-maoistischen Roten Khmer die Macht. Die post-koloniale Elite wurde weitgehend ausgelöscht, ihre Villen dem Verfall preisgegeben. Sie passten nicht zur agrarkommunistischen Ideologie des Regimes. Zudem erinnerten sie an die dunklen Seiten des nun unabhängigen Kambodschas: Vetternwirtschaft und Korruption.

Die letzten Reste der Villen rotten heute vor sich hin - doch die größten Gefahren sind nicht Verfall, Vandalismus oder die Affenhorden, die zwischen den leeren Fensterhöhlen herumturnen. Es ist Bodenspekulation, sind die Menschen in der Umgebung überzeugt.

Die meisten Ruinen stehen auf Land, das heute dem Staat gehört - und es ist wertvoller als die Gebäude, sagt Philippe Delanghe von der Unesco in Kambodscha. Die wirtschaftliche Entwicklung sei eine nicht zu vernachlässigende Bedrohung. Plantagenbesitzer You Mong stimmt zu: „Sie renovieren nicht, sie warten auf Reiche, die investieren“, meint er. „Aber niemand kommt.“ Die Besitzer hoffen auf fetten Profit, wenn Hotels oder Ferienwohnungen gebaut werden. Grundstücke in Küstennähe können bis zu 500 US-Dollar pro Quadratmeter wert sein - mehr als das Doppelte als im Landesinneren, aber immer noch günstig im Vergleich zu den Grundstückspreisen in Phnom Penh.

In Zukunft könnten einige Villen als Teil des kulturellen Erbes des Landes gerettet werden, hofft Delanghe. Es könnte aber noch Jahre dauern, bis es soweit ist: Im Dezember hat die Unesco ein Pilotprojekt angestoßen, das historische Gebäude in der Stadt Battambang in Nordwest-Kambodscha katalogisiert. Sollte dies klappen, könnte das Programm auch auf andere Städte ausgedehnt werden. „Die Villen stehen noch. Es wäre toll, wenn manche von ihnen erhalten werden können“, sagt Delanghe.