Kanadas Flagge wird 50 Jahre - weltbekannt und geheimnisvoll
Ottawa (dpa). Sie ist eine der bekanntesten Flaggen der Welt und trotzdem jünger als die Rolling Stones oder das Farbfernsehen: Kanadas Fahne mit dem roten Ahornblatt gehört zu den populärsten Flaggen überhaupt.
Am Sonntag feiert sie ihren 50. Geburtstag. Kanada selbst ist eigentlich noch jünger, denn erst seit 1982 ist das zweitgrößte Land der Erde ein souveräner Staat.
Noch immer hat der G7-Staat ein Oberhaupt, das nur alle paar Jahre mal zu Besuch vorbeikommt: Königin Elizabeth II. ist nach wie vor auch die Monarchin Kanadas und lächelt von jedem Kanada-Dollar herunter. Zunächst war auch die Fahne sehr britisch: Eine rote Flagge mit einem Wappen und im oberen linken Viertel saß der Union Jack, die Flagge Großbritanniens.
Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem kanadische Soldaten an fast allen Fronten kämpften, wollte man eine eigene Flagge. Hinzu kam, dass die Franko-Kanadier den Union Jack, unter dem ihre Vorfahren besiegt worden waren, strikt ablehnten. Die Lokomotive der Entwicklung hieß Lester B. Pearson. Als der in der Suez-Krise vermittelte, lehnten ihn die Ägypter zunächst ab: Schließlich führe er auch die Fahne Großbritanniens, eines der in die Krise verwickelten Länder. Pearson bekam für seine Vermittlung 1957 den Friedensnobelpreis, 1963 wurde er zum Premier gewählt. Ganz oben auf seiner Agenda: eine neue Fahne.
Dutzende Vorschläge gab es, viele mit britischen Elementen. Doch man einigte sich auf etwas ganz Neues, nämlich ein rot-weiß-rotes Tuch mit einem Symbol, das seit drei Jahrhunderten für Kanada steht: das Ahornblatt. Anfangs gab es Proteste und gerade Veteranen wollten die alte Fahne nicht aufgeben, unter der sie gekämpft hatten. Doch die „Maple Leaf Flag“ setzte sich rasch durch. In kaum einem Supermarkt in Kanada liegen an der Kasse keine Souvenirs wie Flaschenöffner oder Schlüsselanhänger mit der rotweißen Fahne. Die Kanadier lieben ihre Flagge ebenso sehr wie ihre südlichen Nachbarn in den USA die ihre.
„Ich bin Kanadierin. Außerhalb Kanadas zeige ich meine Flagge“, sagt die Sängerin Feist. „Aber kanadischer Nationalismus ist nicht so heimtückisch wie amerikanischer Nationalismus. Unserer ist freundlich. Es dreht sich alles um Ahornsirup, nicht um Krieg.“
Kanadas Flagge ist beliebt, weil das Land ein Mustermitglied in den Vereinten Nationen ist und Entwicklungshelfer und Blauhelmsoldaten das Ahornblatt in die Welt hinaustragen. Firmen bedienen sich gern des Symbols, um ihrer Wetterkleidung oder Sportausrüstung den Hauch von weitem Land zu geben. Und mancher US-Amerikaner klebt sich lieber ein Ahornblatt auf den Koffer, wenn er im Nahen Osten unterwegs ist. Man weiß ja nie.
In der Diskussion um Rechte für Homosexuelle wehte auf der Residenz des kanadischen Botschafters in Island eine Fahne, bei der die roten Balken an der Seite mit Regenbogenstreifen ersetzt waren. Ein Fan dieser Aktion war einer der weltweit bekanntesten Kanadier: Bryan Adams: „Ich bin stolz darauf, dass Kanada ein wirklich freies Land ist“, sagte der Sänger von „Summer of '69“ der dpa. „Jeder kann die Fahne so wehen lassen, wie er es für richtig hält, ohne Misshandlung, Hohn, Haft oder Folter fürchten zu müssen. Go Canada!“
Und die Flagge hat geholfen, englisch- und französischsprachige Kanadier wieder etwas zusammenrücken zu lassen. Schließlich sind beide Landesteile in ihr versteckt: Wenn man genau hinschaut, sieht man im weißen Feld von oben links und rechts zwei Silhouetten, als würden langnasige Gesichter mit geöffneten Lippen hineinschauen. Jules und Jim nennen die Kanadier die beiden. Und beide können ihre Flagge lieben.