Interview Katrin Bauerfeind: „Gute Texte kommen nicht nur aus Büchern“
Katrin Bauerfeind über ihre neue Lektüreshow bei 3sat, lustige Grabreden und wie WhatsApp das Lesen verändert.
Berlin. Lesen, quatschen, Spaß haben: Katrin Bauerfeind gehört zu Deutschlands witzigsten Fernsehfrauen, nun präsentiert die Entertainerin eine neue Sendung, in der sich alles ums geschriebene Wort dreht. In „Bauerfeind — Die Leseshow“ (ab Sonntag, immer sonntags, um 21 Uhr, bei 3sat) liest die 35-jährige Moderatorin, Schauspielerin und Autorin gemeinsam mit prominenten Gästen aus den verschiedensten Texten vor. Werke von Goethe können in der neuen Lektüresendung ebenso vorkommen wie Dialoge aus Seifenopern oder WhatsApp-Nachrichten.
Frau Bauerfeind, Sie präsentieren im Fernsehen eine neue Leseshow. Welche Texte haben Sie heute schon gelesen?
Katrin Bauerfeind: Eine SMS von meiner Mutter, einen Tweet von Donald Trump, eine SMS von Sarah Kuttner und einen Text über den Stand der Brexit-Verhandlungen. Das Lustigste war aber kürzlich eine Frau auf Amazon, die meinem Buch einen Stern gegeben hat, weil ich aus ihrer Sicht unrealistische Tagebucheinträge zum Thema Heidi Klum aufgeschrieben habe. Dafür hat sie einer Matratze fünf Sterne gegeben. Genau mein Humor.
In Ihrer neuen Show lesen Sie und prominente Gäste aus allen möglichen Texten vor . . .
Bauerfeind: Ja, Hauptsache es ist unterhaltsam, lustig, spannend, emotional und kann vorgelesen werden. Ganz egal ob Songtexte, Tweets, Hassmails, Liebesbriefe, Gebrauchsanweisungen, Beipackzettel, Tagebucheinträge oder gar Literatur. Ich finde, Lesen wird in Deutschland unterschätzt, und weil es immer erst mal für schnarchig gehalten wird, ist es offensichtlich Zeit, dass man das Thema mal aus der piefigen Ecke rausholt.
Wie macht man aus dem guten alten Vorlesen eine unterhaltsame Fernsehshow?
Bauerfeind: Erst mal sieht es aus wie eine Show und nicht nach Leute sitzen vor staubigem Vorhang oder in muffigen Sesseln unter Stehlampen. In jeder Sendung gibt es ein Thema und zwei sensationelle Gäste wie etwa Klaas Heufer-Umlauf, Cordula Stratmann oder Tim Mälzer, mit denen ich mich da durcharbeite. Wir lesen auch nicht in Wassergläser rein, sondern performen die Texte vor Publikum. Dazu führen wir launige Gespräche. Leute schicken sich ja auch übers Internet und Social Media laufend Geschichten, Videos, Zitate und Anekdoten. Bei uns gibt es das eben in laut.
Welchen Sinn macht es, Dialoge aus Shows wie „Der Bachelor“, Heiratsannoncen und Literatur nebeneinanderzustellen?
Bauerfeind: Es ist sehr unterhaltsam und interessant. Was passiert, wenn man den Schlussdialog aus „Casablanca“ mit vertauschten Rollen liest? Wie klingt die Regierungserklärung auf Schwäbisch? Kann man Tinder-Chats von Pilcher-Dialogen unterscheiden? All das kann in der Sendung vorkommen.
Experten sagen, dass die Sozialen Medien die Ausdrucksfähigkeit ihrer User verschlechtern, weil es dort fast nur kurze Sätze und einen anspruchslosen Satzbau gibt . . .
Bauerfeind: Soweit ich weiß, gab es ähnliche Schauergeschichten, als das Buch, das Telefon und der Fernseher erfunden wurden. Allerdings lesen laut aktueller Kinder-Medien-Studie drei von vier Kindern und 61 Prozent der erwachsenen Deutschen regelmäßig. Ich bin mit meiner Show aber nicht angetreten, um die Literatur oder das Buch zu retten. Bei einer Umfrage für die Sendung hab ich einen jungen Mann gefragt, ob er liest, und er sagte: „Ja, sicher, ich lese viel Whats- App.“ Die Zeiten ändern sich. Wir bauen auch Whats- App-Nachrichten in die Sendung ein, wenn sie gut sind.
Lesen Sie selber lieber am Bildschirm oder auf Papier?
Bauerfeind: Hängt immer davon ab, was praktischer ist. Auf Reisen schleppe ich keine schweren Bücher mehr mit. Manchmal will ich aber ein Buch in der Hand haben, weil Lesen ja auch ein Gefühl ist. Allein zu wissen, wie lange man noch hat, ist manchmal sehr wichtig.
Gibt Ihre Sendung den Zuschauern auch konkrete Buchtipps?
Bauerfeind: Wir sind kein Ratgebermagazin und wir lesen eben auch vorwiegend Texte, die zu einem Thema passen. Beim Thema Humor tragen Max Giermann und Katharina Thalbach die Grabrede von John Cleese von Monty Python für seinen Kollegen Graham Chapman vor. Eine der wenigen lustigen Grabreden und die erste, in der das Wort „fuck“ vorkam. Trotzdem war das bei der Aufzeichnung der Sendung ein sehr bewegender Moment, und wir haben uns die Frage gestellt, ob selbst in den furchtbarsten Situationen Humor angebracht sein kann, um besser mit ihnen umgehen zu können. Gute Texte kommen nicht unbedingt nur aus Büchern. Aber wenn der ein oder andere etwas mitnimmt und nach der Sendung ein Buch kaufen möchte, hab ich auch nichts dagegen.
Schauen Sie selber klassische Büchermagazine?
Bauerfeind: Nein, ich schaue keine klassischen Literatursendungen.
Sie sind selber erfolgreiche Buchautorin. Was macht Ihnen mehr Spaß, Lesen oder Schreiben?
Bauerfeind: Das sind zwei sehr unterschiedliche Dinge. Das Schreiben ist eher konzentriert und ruhig am Tisch, was mir seit jeher ein wenig schwerer fällt. Wenn ich dann später mit diesen Texten auf die Bühne gehe und es Leuten präsentieren kann, ist das sensationell. Am Ende bedingt aber das eine das andere, und beides trägt zu meinem inneren Frieden bei.
Welches Buch liegt denn gerade auf Ihrem Nachttisch?
Bauerfeind: Torsten Sträters „Als ich in meinem Alter war.“ Ist aber zu witzig für den Nachttisch. Kann man schlecht runterkommen und das Einschlafen danach gestaltet sich meist schwierig. Sehr empfehlen kann ich „Spieltrieb“ von Juli Zeh. Unglaublich klug, eloquent und um es mal abgedroschen zu sagen: fesselnd.
Haben Sie auch ein Lieblingsgedicht?
Bauerfeind: Tausende. Aber ein Klassiker ist und bleibt Ringelnatz: „Wenn man das zierlichste Näschen / Von seiner liebsten Braut / Durch ein Vergrößerungsgläschen / Näher beschaut / Dann zeigen sich haarige Berge / Dass einem graut.“