Kein Deutsch, kein Herz? Streit um ein Organ

Ein Iraker verklagt eine Klinik, weil ihm eine Transplantation verweigert wurde.

Bielefeld. Darf man einem Menschen wegen mangelnder Sprachkenntnisse eine lebensrettende Herztransplantation verweigern? Die Ärzte des Herz- und Diabeteszentrums in Bad Oeynhausen (HDZ) haben diese Frage zumindest teilweise bejaht und Hassan R. im Frühjahr 2010 nicht auf die Warteliste für Spenderorgane gesetzt. Wegen gravierender Verständigungsprobleme sei zweifelhaft, ob der Patient aus dem Irak die ärztlichen Vorgaben für die Vor- und Nachbehandlung verstehen und konsequent umsetzen würde, hieß es.

Nach den einschlägigen Richtlinien kann eine solche Mitwirkung — dafür wird der englische Begriff „compliance“ gebraucht — erwartet werden. Der 62-jährige Iraker erfülle damit nicht die nötigen Voraussetzungen für eine Transplantation, begründeten die Mediziner.

Doch R. wollte diese Entscheidung nicht akzeptieren. Der Iraker verklagte die Klinik und verlangt ein Schmerzensgeld in Höhe von 10 000 Euro. Nun muss das Landgericht Bielefeld entscheiden.

„Sie haben mir Hoffnungen gemacht und mich am Ende fallen lassen. Ich finde, dass ich von dem Krankenhaus menschlich und gesundheitlich im Stich gelassen worden bin“, teilte R. schriftlich über seinen Anwalt mit. Interviews gibt er angesichts des gerichtlichen Verfahrens im Moment keine. Am Freitag beginnt der Prozess.

Um den Platz auf der Warteliste geht es bei der Verhandlung in Bielefeld allerdings nicht mehr. Wenige Wochen nach der Ablehnung aus Bad Oeynhausen haben die Ärzte der Uniklinik Münster R. auf die Liste genommen und behandeln ihn seither.

Warum sie die Lage anders als ihre Kollegen in Bad Oeynhausen einschätzen und wie sie die Sprachprobleme überwinden wollen, dazu will die Klinik in Münster nichts sagen und verweist auf das schwebende Verfahren.

Vor mehr als 13 Jahren ist Hassan R. aus dem Irak nach Deutschland geflohen. Er ist Jeside, also Mitglied einer Religionsgemeinschaft, die im Irak bis heute immer wieder Gewalt und Verfolgung ausgesetzt ist. Inzwischen lebt er mit seiner Familie im niedersächsischen Peine. Die deutsche Sprache hat er in dieser langen Zeit allerdings nicht gelernt.