Lund/Berlin/Heidelberg/Hamburg Kippen-Tabu auf Spielplätzen, aber nicht überall
Lund/Berlin/Heidelberg/Hamburg. · Zigarettenqualm und weggeworfene Kippen sind auf Schwedens Spielplätzen gesetzlich verboten. Auch in Deutschland gibt es in einigen Bundesländern Rauchverbote.
Wer auf Spielplätzen in der schwedischen Stadt Lund nach rauchenden Eltern oder weggeworfenen Kippen sucht, der ist eine Weile beschäftigt. Seit Anfang Juli gilt in Schweden ein verschärftes Rauchverbot – auch auf öffentlichen Spielplätzen. Und das macht sich bemerkbar: „Schon jetzt gibt es deutlich weniger Kippen hier“, sagt ein Vater. Während sein Sohn im Stadtpark eine Rutsche hinunter saust, hat er nur Positives für den Schritt der Regierung übrig: „Das ist eine richtig gute Sache.“
Anders in vielen Orten Deutschlands: „Es ist echt nervig, weil ich meinem Einjährigen permanent Kippen aus dem Mund hole. Ich kann ihn quasi nicht aus den Augen lassen“, berichtet zum Beispiel eine Hamburger Mutter. Auch in kleineren Städten und Dörfern gehören Kippen auf Spielplätzen zum Alltag – hinterlassen nicht nur von Erwachsenen, sondern auch von Jugendlichen, die Spielplätze ebenfalls gern als Treffpunkte nutzen.
Ein Rauchverbot auf Spielplätzen wäre grundsätzlich sinnvoll
Die Verbotsregelungen hierzulande gleichen einem Flickenteppich. „Brandenburg, Bremen, NRW und das Saarland sowie verschiedene Kommunen verbieten das Rauchen auf Spielplätzen“, berichtet Katrin Schaller, Expertin für Tabakkontrolle vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg (DKFZ). Auch in Berlin soll das Qualmen auf Spielplätzen verboten werden. Doch wann, ist unklar. Eine Gesetzesnovelle dazu liegt seit fast einem Jahr im Parlament vor.
„Grundsätzlich wäre ein bundesweites Rauchverbot auf Spielplätzen aus mehreren Gründen sinnvoll“, sagt Schaller. Es schütze vor Passivrauchen und unterstütze die Vorbildfunktion der Eltern. Vor allem aber helfe es, Kippenmüll zu vermeiden, der vor allem für Kleinkinder gefährlich sei. Das Verschlucken von Zigarettenkippen kann zu Vergiftungen mit Übelkeit, Erbrechen und Durchfall führen.
Schweden will bis 2025 rauchfrei werden – dieses Ziel hat die sozialdemokratisch angeführte Regierung in Stockholm vor längerem ausgegeben. „Rauchfrei“ bedeutet für die Schweden unter anderem, dass der Anteil der Raucher an der Bevölkerung auf unter fünf Prozent sinken soll. Zum 1. Juli sind die Regelungen verschärft worden. Auch Eingangs- und Außenbereiche von Gaststätten sind nun ebenso tabu wie Bushaltestellen, Bahnsteige oder Sportstätten – und eben öffentliche Spielplätze. Die Bestimmungen gelten auch für E-Zigaretten. Dabei gilt Schweden mit einer Quote von weniger als neun Prozent schon heute als das EU-Land mit den wenigsten regelmäßigen Rauchern.
„Die Situation von Schweden lässt sich nicht 1:1 auf Deutschland übertragen, kann aber durchaus als positives Beispiel dienen“, sagt Katrin Schaller. Der niedrige Raucheranteil in Schweden werde auch auf den weit verbreiteten Konsum von Oraltabak (Snus) zurückgeführt. Und auch der hat seine Schattenseiten: „Snus belastet den Körper zwar mit deutlich weniger Schadstoffen als das Rauchen, dennoch erhöht er das Erkrankungsrisiko für Mundhöhlen- und Speiseröhrenkrebs und möglicherweise für weitere chronische Erkrankungen; zudem macht er abhängig“, berichtet sie.
Deutschland liege mit einer Raucherquote von 25 Prozent im europäischen Vergleich im oberen Mittelfeld, berichtet ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums mit Verweis auf Daten von 2017. Jede sinnvolle Initiative zur Rauchprävention werde durch das Haus von Minister Jens Spahn (CDU) unterstützt. „Zunächst sollte aber das Tabak-Werbeverbot durchgesetzt werden. Wir setzen auf Aufklärung und Prävention“, sagt der Sprecher.
In Schweden wird empfohlen, mit Schildern auf Regeln hinzuweisen
Aus Sicht Schallers wäre es hierzulande vordringlicher, die Innengastronomie vollständig rauchfrei zu machen. Personal und Gäste in Raucherräumen seien einer sehr hohen Tabakrauchbelastung ausgesetzt. „Hier muss als erstes nachgebessert werden – bei dieser Gelegenheit wäre es allerdings durchaus sinnvoll, darüber nachzudenken, in den verbesserten Nichtraucherschutz auch öffentliche Plätze einzubeziehen“, so die Expertin.
In Schweden wird empfohlen, mit Schildern auf die neuen Regelungen hinzuweisen. Vor Supermärkten oder auch Cafés sind immer wieder Hinweise zu finden, auch in deutscher Sprache. Auf Lunds Spielplätzen fehlen sie noch.
In Deutschland hat eine Studie des DKFZ bereits vor zehn Jahren gezeigt, dass Rauchverbote ohne Hinweisschilder hierzulande nicht viel nützen: In Würzburg wurden auf Spielplätzen beispielsweise trotz bayernweiten Rauchverbots fast genauso viele Kippen gefunden wie in Mannheim, wo es kein Rauchverbot gibt. In Würzburg wurde nicht auf das Verbot hingewiesen.
In Heidelberg, wo es ein kommunales Rauchverbot und sichtbare Hinweisschilder auf Spielplätzen gibt, lag die Zahl der gefundenen Kippen nur bei etwa einem Drittel. „Erst durch Hinweisschilder oder Plakate werden Raucher beim Besuch eines Spielplätze auf ihre Verantwortung gegenüber den Kindern aufmerksam gemacht“, heißt es in einem Bericht des DKFZ.
Daran, dass Schweden bis 2025 komplett rauchfrei wird, glauben nicht alle. „Es wird immer Raucher geben. Nur eben nicht mehr hier auf dem Spielplatz“, sagt die Mutter eines drei Monate alten Babys. Über das Verbot freue sie sich trotzdem: „Für mein Kind ist das sehr gut, klar. Aber auch für uns Erwachsene bringt es etwas, wenn hier nicht überall Kippen herumliegen.“