Klassik Stiftung kauft Buchsammlung aus NS-Raubgut

Weimar (dpa) - Die Klassik Stiftung Weimar kann eine wertvolle Schriftensammlung aus der Goethe-Zeit, die jahrzehntelang als NS-Raubgut in Weimarer Bibliotheksregalen stand, nun rechtmäßig erwerben.

Die Stiftung einigte sich mit den Erben des Leipziger Büchersammlers Arthur Goldschmidt (1883-1951) auf einen Ankauf von dessen Almanachsammlung, wie Stiftungspräsident Hellmut Seemann am Freitag in Weimar mitteilte. Der von den Nationalsozialisten verfolgte Jude Goldschmidt hatte die Sammlung mit Erstveröffentlichungen Goethes vor seiner Flucht aus Deutschland weit unter Wert veräußern müssen.

Bei den zum Kernbestand der Herzogin Anna Amalia Bibliothek gehörenden 2000 Bänden aus dem 17. bis 19. Jahrhundert handelt es sich laut Stiftung um einen der größten Restitutionsfälle von NS-Raubgut in deutschen Büchereien. Goldschmidt war von den Nazis vorübergehend inhaftiert worden und konnte später mit seinem Sohn emigrieren. Die Sammlung mit Almanachen - kleine Kalenderbücher mit Dichtungen, Prosatexten und Kupferstichen - verkaufte er 1936 für 2000 Reichsmark an das Weimarer Goethe- und Schiller-Archiv.

„Es ist ganz klar, dass das ein Schleuderpreis war“, sagte Bibliotheksdirektor Michael Knoche. Der Wert der Sammlung habe bei 50 000 Reichsmark gelegen. In den Schriften hatten Goethe und andere Dichter aus der Zeit der Weimarer Klassik einige ihrer Texte und Gedichte erstmals veröffentlicht. 1954 gelangte die Sammlung in die heutige Anna Amalia Bibliothek. 2005 habe man Gewissheit erhalten, dass es sich um NS-Raubgut handelte, sagte Knoche. Die Spur lieferte ein Besitzerhinweis auf Goldschmidt in den Büchern, woraufhin die Bibliothek über Experten in London die Erben ausfindig machen ließ. Der Ankauf für eine sechsstellige Summe wurde mit finanzieller Hilfe der Kulturstiftung der Länder möglich.

Bei einem Viertel bis zu mehr als einem Drittel der während der NS-Zeit von Weimarer Museen, dem Goethe- und Schiller-Archiv und der Bibliothek erworbenen Werke gebe es Hinweise, dass dies unrechtmäßig geschah, sagte Seemann. Die sogenannte Provenienzforschung sei eine „unendliche Aufgabe der Erinnerungskultur“.

Die Rückgabe dieser Kulturgüter ist in Deutschland seit der Ratifizierung des Washingtoner Abkommens von 1998 geregelt. Bei Werken, die möglicherweise durch Enteignungen durch die Nationalsozialisten den Besitzer wechselten, müssen die öffentlichen Sammlungen den Erwerb zweifelsfrei nachweisen können.