Klinik in Düsseldorf Chefarzt-Kündigung wegen zweiter Ehe ist unwirksam - Erzbistum Köln will Urteil prüfen

Erfurt/Düsseldorf · Zehn Jahre nach der Entlassung eines katholischen Chefarztes durch ein katholisches Krankenhaus wegen seiner Wiederheirat hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) diese erneut für unwirksam erklärt. Das Krankenhaus habe den Verzicht auf eine zweite Ehe nicht verlangen dürfen, entschied das BAG am Mittwoch in Erfurt.

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Es folgte damit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg, wonach das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen der Kontrolle durch die weltlichen Gerichte unterliegt. Das Erzbistum Köln kündigte eine Prüfung des Urteils an. (Az: 2 AZR 746/14)

Der Arzt war Leiter der Abteilung für innere Medizin am katholischen St.-Vinzenz-Krankenhaus in Düsseldorf. Er war Mitglied der katholischen Kirche und laut Arbeitsvertrag verpflichtet, die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre zu beachten.

2005 trennte sich der Chefarzt von seiner Ehefrau und zog mit einer neuen Partnerin zusammen. Dies akzeptierte der Arbeitgeber noch. Als der Arzt sich scheiden ließ und 2008 seine neue Partnerin standesamtlich heiratete, kam jedoch die Kündigung. Er habe gegen die auch in seinem Arbeitsvertrag festgeschriebenen Grundsätze der katholischen Kirche verstoßen.

Die 2009 eingereichte Kündigungsschutzklage des Arztes hatte im ersten Durchlauf durch alle Instanzen Erfolg. Zur Begründung betonte zuletzt 2008 das BAG, die Klinik habe bei evangelischen oder konfessionslosen Ärzten eine zweite Ehe akzeptiert.

Nach dem Recht der katholischen Kirche ist eine zweite Ehe ungültig. Unter Hinweis auf das im Grundgesetz verankerte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen hob das Bundesverfassungsgericht das erste BAG-Urteil 2014 auf.

2018 urteilte dagegen der EuGH, dass das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen der Kontrolle durch staatliche Gerichte unterliegt. Die ungleichen Maßstäbe deuteten auf eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung hin.

Gestützt darauf hielt nun das BAG an seiner ursprünglichen Entscheidung fest und erklärte die Kündigung erneut für unwirksam. EU-Recht gehe dem deutschen Recht grundsätzlich vor. Hier habe der EuGH auch nicht die Kompetenzen der EU überschritten. "Die Verfassungsidentität des Grundgesetzes" werde durch seine Vorgaben nicht berührt.

Danach sei eine ungleiche Behandlung je nach Religionszugehörigkeit aber nur zulässig, wenn dies "eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt". Nach den Vorgaben des EuGH sei dies bei einem Chefarzt nicht der Fall.

Daher sei der katholische Arzt unzulässig gegenüber andersgläubigen oder konfessionslosen Kollegen benachteiligt worden. Eine "Loyalitätspflicht", wonach der Arzt nicht erneut heiraten durfte, sei unzulässig. Daher liege auch kein Verstoß gegen Loyalitätspflichten vor.

Das zuständige Erzbistum Köln kündigte an, das Urteil, "dessen Begründung und mögliche Konsequenzen intensiv prüfen" zu wollen. Es verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass die Kündigung "nach heute geltendem Kirchenrecht anders zu beurteilen" wäre. Das Verfahren berühre aber "Grundsatzfragen des Verhältnisses des nationalen Verfassungsrechts zum Recht der Europäischen Union".

Die Gewerkschaft Verdi, die Grünen-Bundestagsfraktion und die Antidiskriminierungsstelle des Bundes begrüßten das Urteil. Es schaffe Rechtsklarheit für die 1,3 Millionen Beschäftigten der Kirchen und ihrer Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonie.

(afp)