Kreischen, Ohnmacht, Notarzt: YouTube-Stars hautnah
Dortmund (dpa) - Plötzlich verfällt die Masse der jungen Mädchen vor der Bühne in schrilles Kreischen. Ausnahmezustand, Ohnmacht inklusive. Grund für die Aufregung ist ChrisTezz. Videoblogger und selbst noch Teenager.
Mehr als 200 000 Nutzer haben seinen Kanal auf der Videoplattform YouTube abonniert. Er ist einer von zahlreichen Youtubern, die am Samstag beim „XXL Tuberday“ auf der Jugendmesse „YOU“ in Dortmund auftreten.
Danach ist vor allem Viktor Roth alias iBlali die Ursache für Schubsen und Drängeln. Die in der Mehrzahl weiblichen Fans wollen Selfies oder Unterschriften auf ihren Smartphone-Hüllen von dem Youtuber, der mehr als 1,6 Millionen Abonnenten hat und das Aushängeschild des „Tuberdays“ ist.
Die Begeisterung wird so groß, dass ein paar Mädchen in Ohnmacht fallen. Sirene, Blaulicht, der Notarzt muss helfen. Die Veranstaltung in Dortmund ist ein Szene-Treff mit Fankontakt. Die Youtuber gehören zu einer Szene, die raus ist aus den hinteren Winkeln des Internets und sich zu einer Branche entwickelt hat. „Youtuber zu sein ist vom Hobby zum Beruf geworden“, sagt Anja Rützel vom Magazin „Wired“, das dem Phänomen seine jüngste Titelgeschichte gewidmet hat.
Wer mehr als eine Million Abonnenten hat und regelmäßig Videos hochlädt, kann davon gut leben. Das Geld kommt rein durch vorgeschaltete Werbung und Produktplatzierungen. Wie hoch die Einnahmen sind, lässt sich nur schwer schätzen, wie Rützel sagt: Die angenommenen Summen lägen bei den erfolgreichsten deutschen Youtubern zwischen 15 000 und 120 000 Euro pro Monat, je nachdem, wer gerade seine Schätzung abgibt.
Eine wichtige Rolle bei der Vermarktung spielen Netzwerke wie Mediakraft, Studio 71 oder TubeOne. Viele erfolgreiche Youtuber sind dort unter Vertrag — Neulinge erhoffen sich dank der Netzwerke eine höhere Verbreitung ihrer Inhalte, wie Rützel erläutert.
Durch die zunehmende Verankerung kommerzieller Strukturen drängen die Stars in die Welt außerhalb des Internets. Der Lifestyle-Blogger Sami Slimani moderiert mittlerweile beim Fernsehsender VIVA, obwohl er dort weniger Menschen erreichen dürfte. Zusammen mit seinen ebenfalls bei YouTube erfolgreichen Schwestern Lamiya und Dounia hat er ein Buch veröffentlich. LeFloid, der bei YouTube Nachrichten kommentiert und mehr als zwei Millionen Abonnenten hat, ist seit kurzen in einem Werbespot zu sehen.
„Die Stars bei YouTube sind die neuen Boy-Bands“, sagt der Medienwissenschaftler Sebastian Buggert vom Rheingoldinstitut. Tatsächlich erinnert das Kreischen stark an die frühen Take That und Co.
Mit einem Unterschied: „An die Youtuber kommt man viel näher dran als an andere Stars“, sagt die 14-Jährige Marlene, die mit ihren Freundinnen nach Dortmund gekommen ist und gerade ein Autogramm ergattert hat. Über Twitter und Facebook sind die Helden aus dem Internet ständig erreichbar. Zugleich geben sie sich authentisch, sind wie die Jungs und Mädels von neben an. „Youtuber, sagt Anja Rützel, „sind die optimierte Version von einem selbst“.