Musikpreis Kritik am Echo immer schärfer

Berlin/München (dpa) - Bislang war der Echo eine renommierte Auszeichnung in der Musikbranche. Doch nach der Würdigung für die umstrittenen Rapper Kollegah und Farid Bang nehmen Preisträger Abstand.

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Klaus Voormann, Freund und Wegbegleiter der Beatles, gab am Montag den Echo für sein Lebenswerk zurück. „Was sich für mich als Geschenk anlässlich meines 80. Geburtstags anfühlte, entpuppt sich nun als große Enttäuschung“, teilte der Musiker und Grafiker am Montag in München mit.

Zuvor hatte bereits das Notos-Quartett aus Berlin erklärt, seinen Echo Klassik vom vergangenen Herbst zurückgeben zu wollen. Er sei für sie nun ein „Symbol der Schande“. Der Sänger Peter Maffay forderte die Verantwortlichen zum Rücktritt auf. Auch andere Musiker und Kulturschaffende machten ihrem Unmut Luft, was den Bundesverband Musikindustrie dazu veranlasste, das Konzept des Preises zu überarbeiten.

Grund für den Proteststurm ist das Album „Jung, Brutal, Gutaussehend 3“, für das die beiden Rapper am Donnerstagabend mit einem Echo gewürdigt worden waren. Es wird als antisemitisch kritisiert wegen Textzeilen wie „Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen“ und „Mache wieder mal 'nen Holocaust, komm' an mit dem Molotow“. Der Echo orientiert sich unter anderem an den Verkaufszahlen.

„Was muss passieren, dass ein ECHO-Ethikrat Konsequenzen ergreift und eine Nominierung trotz Megaumsätzen eines Albums aus ethischen Gründen ablehnt?“, fragte Voormann deshalb. „Provokation ist erlaubt und manchmal sogar notwendig, um Denkanstöße zu geben“, sagte der Bassist. Aber die Grenze zu menschenverachtenden, frauenfeindlichen, rassistischen, antisemitischen und gewaltverherrlichenden Äußerungen und Taten dürfe nicht überschritten werden. Voormann wird am 29. April 80 Jahre alt wird und hat unter anderem das Cover des berühmten „Revolver“-Albums der Beatles gestaltet.

Auch Rocksänger Wolfgang Niedecken (67), der Voormann den Echo überreicht hatte, richtet scharfe Vorwürfe an die Echo-Veranstalter. Man habe ihn und Voormann bei der Verleihung der Musikpreise „ganz einfach ins Messer laufen lassen“, schrieb der BAP-Musiker auf Facebook. Niedecken erklärte, er habe die Texte der Rapper nicht gekannt. „Beim vorletzten Show-Act wurden wir dann mit der menschenverachtenden Brutalität der beiden Schein-Musikanten konfrontiert, allerdings ohne irgendetwas von deren Gebrabbel zu verstehen. Textverständlichkeit: Fehlanzeige. Und dann standen auch schon unsere beiden Gitarren auf der Bühne und ich musste blitzartig entscheiden, wie ich mich adäquat verhalten sollte.“

Rockmusiker Peter Maffay sah einen Mangel an Sensibilität, der nicht erträglich sei. „Man hätte sich bewusst sein müssen, dass es zu einer solchen Eskalation kommen würde“, sagte er im Interview der Deutschen Presse-Agentur. „Deswegen gehören in diese verantwortlichen Positionen Leute, die sich dieser Verantwortung bewusst sind und sie nicht an einen sogenannten Ethikrat weiterdelegieren, der auf Tauchstation geht.“ Es müsse ein ethisches Grundverständnis geben, das bindend für alle ist. „Wer sich nicht daran hält, kann nicht erwarten, beim Echo berücksichtigt zu werden.“

Auch ein anderes Regelwerk und mehr Transparenz ist nach Ansicht Maffays notwendig. „Wenn das nicht geschieht, dann hat der Echo keine Daseinsberechtigung mehr“, sagte er. Auf Facebook schrieb er überdies, gerade angesichts der deutschen Vergangenheit sei der Preis für die Rapper eine „Ohrfeige für das demokratische Verständnis in unserem Land“.

Bei der Preisverleihung am Donnerstagabend - dem Holocaust-Gedenktag in Israel - hatte unter anderem Campino, der Sänger der Toten Hosen, auf der Bühne Stellung bezogen. „Wenn es um frauenverachtende, homophobe, rechtsextreme und antisemitische Beleidigungen geht“ sei für ihn die Grenze überschritten. „Wann ist die moralische Schmerzgrenze erreicht?“. Trotzdem wurden die Rapper später ausgezeichnet. Unter lauten Buh-Rufen und Pfiffen zeigte Kollegah eine Karikatur Campinos, mit Heiligenschein.

Der künstlerische Direktor und Geschäftsführer der Popakademie Baden-Württemberg in Mannheim, Udo Damen, sprach sich zwar für eine Echo-Reform aus, will aber nicht grundsätzlich an der Auszeichnung rütteln. „Wir tun gut daran, an ihm festzuhalten und ihn weiter fortzuschreiben. Aber die Bedingungen, unter denen er vergeben wird, müssen verändert werden“, sagte er im Interview von „Stuttgarter Nachrichten“ und „Stuttgarter Zeitung“ (Dienstagsausgabe). „Die Nominierungen müssen anders festgelegt werden und auch die Veranstaltung selbst sollte anders gestaltet werden.“