Läuft gut: Deichmann designt erfolgreich Schuhe
Essen (dpa) - Essen-Borbeck statt Mailand: Wo Heinrich Deichmann vor 100 Jahren seine Schuhwerkstatt eröffnete, designt das Unternehmen noch heute seine Kollektionen. Das ist viel Arbeit. Allein 800 neue Damenmodelle bringt Deichmann pro Saison in die Läden.
Mitten im Ruhrgebiet entstehen Schuhtrends im farbenfrohen Chaos. Auf einem Schreibtisch im Arbeiterviertel Essen-Borbeck liegen Skizzen, Zeitschriftenschnippsel, Stoffmuster, Farbkarten, Perlenarmbänder und Pailettenaufnäher. Dahinter steht eine schmale Frau mit blonden Haaren, die den Überblick über das rot-blau-grün-schwarz-gelbe Durcheinander behält. Die 26-jährige Isabel van de Sand designt seit fast einem Jahr Schuhe bei Deutschlands größtem Schuhhändler Deichmann.
Im Geschäftsjahr 2012 verkaufte Deichmann in mehr als 20 Ländern 165 Millionen Paar Schuhe für insgesamt 4,5 Milliarden Euro. Das war nach eigenen Angaben 7,4 Prozent mehr Umsatz als ein Jahr zuvor. Weltweit arbeiten 33 700 Menschen bei dem Essener Traditionsschuhhändler, davon 14 300 in Deutschland. Vor 100 Jahren eröffnete Heinrich Deichmann seine Schuhwerkstatt in Essen-Borbeck. In dem Arbeiterviertel steht heute noch die Zentrale.
Grund für den Erfolg dürften aus Sicht der Kunden vor allem die niedrigen Preise sein. 21 Euro kostet durchschnittlich ein Paar Schuhe bei Deichmann. „Die Kundin kauft mehr Schuhe als früher“, sagt Produktmanager Rainer Ochsenkiel. „Sie will öfter ihren Stil wechseln und immer den passenden Schuh dazu.“
Allein 800 neue Damenschuhmodelle bringt Deichmann pro Saison in die Läden. Jeder neue Entwurf entsteht zum Teil in der Zentrale in Essen, zum Teil in den Fabriken in China, Vietnam, Italien und Rumänien. Van de Sand und ihre Kollegen fliegen oft zwischen Essen und den Fabriken im Ausland hin und her, passen dort eine Schnalle an, probieren hier ein anderes Blumenmuster aus.
Die Designer arbeiten eng mit den „Perfekten Füßen“ zusammen. Das sind Mitarbeiterinnen mit der Schuhgröße 37, an deren kritischem Urteil sich jeder Schuh messen lassen muss, bevor er in den Laden kommt. Petra Richter hat diesen perfekten Fuß. In der Essener Zentrale balanciert die kleine Frau in einem zehn Zentimeter hohen Absatzschuh auf einem Tisch. „Ich prüfe, ob ich nach vorne kippe“, erklärt Richter. „Und ob der Schuh weich ist.“
Über eine Anzeige in der Zeitung wurde sie vor 14 Jahren auf den Job aufmerksam. Jetzt probiert sie jedes Jahr Hunderte von Schuhen an, wenn sie nicht gerade mit den Lieferanten die Korrekturen bespricht.
Wenige Büros entfernt hält Jungdesignerin Van de Sand gerade glitzernden Modeschmuck an einen auf Papier gemalten High-Heel. Ihre Inspiration holt sie sich von der Straße und weniger aus Fachmagazinen. „Am liebsten beobachte ich Leute in Großstädten“, sagt sie. „In Zeitschriften sieht man nur, was es schon gibt. Aber man will ja was Neues entwerfen.“
Die 26-Jährige kreiert einen Schuh aber nicht alleine. Bevor sie mit ihrer Arbeit loslegt, spüren mehrere Trendscouts die neuesten Entwicklungen in der Welt der Mode auf. „Wir reisen durch Europa“, erklärt Produktmanager Ochsenkiel. „Wir gehen bevorzugt in die Szeneviertel und schauen uns an, was auf der Straße getragen wird.“ Deichmann schickt seine Leute in Großstädte wie London oder Mailand. Neben den Trendscouts vor Ort strecken Modeexperten ihre Fühler auf Schuhmessen und Modeschauen aus. Vom ersten Prototypen bis zum Verkauf im Laden vergehen im Idealfall dreieinhalb Monate.
Momentan arbeitet Deichmann schon an der übernächsten Kollektion. Wie die Schuhe im Sommer 2014 aussehen, will das Unternehmen lieber nicht verraten. Ochsenkiel sagt nur so viel: „Es wird wieder sportiver und bequemer.“