Lana del Rey überzeugt bei Deutschland-Tourauftakt
Hamburg (dpa) — Minutenlang verschwindet Lana del Rey am Samstagabend von der Bühne. Allein die Musiker ihrer Band bleiben im Rampenlicht der Hamburger 02 World zurück und zelebrieren die letzten Akkorde des Abends.
Die Lolita selbst ist hinabgestiegen in den Graben vor der Bühne und hat das Mikrofon gegen einen schwarzen Filzstift getauscht. Statt einer Zugabe gibt es ein Bad in der Menge — und Autogramme für die erste Reihe. Die übrigen knapp 10 000 Fans beobachten die Szenen auf den Videoleinwänden neben der Bühne. Und dort sieht es aus, als sei der Star schon längst an einem anderen Ort, auf einem neuen roten Teppich. Es ist der letzte Akt eines Abends, der perfekt inszeniert ist.
YouTube-Phänomen und Schmähopfer — trotz ihrer noch jungen Karriere polarisiert Lana del Rey. Erst vor eineinhalb Jahren war Elizabeth Grant, wie die 26-Jährige mit bürgerlichem Namen heißt, mit der Ballade „Video Games“ der Durchbruch gelungen. Nicht im Radio, sondern im Internet. Binnen eines Monats wurde der Retro-Clip eine Millionen Mal geklickt, in Deutschland gab es für die erste Platte „Born to Die“ Gold und Doppel-Platin. Doch auf die Euphorie und Lobeshymnen folgten Hass und harsche Kritik. Hölzern und wenig authentisch sei die gebürtige New Yorkerin, ihr Ausdruck lustlos und fad. Und auch ihre Stimme überzeugte live nur wenige.
Keine leichten Voraussetzungen für eine erste Tour, die die Sängerin und Songwriterin bis Mitte Juni durch Europa führen wird. Doch Lana del Rey betritt bei ihrem Deutschland-Tourauftakt am Samstagabend gut gelaunt die Bühne — und überrascht. Liebenswert und zurückhaltend begrüßt sie ihr Publikum. „Wir haben so lange auf diesen Moment gewartet“, murmelt sie strahlend und haucht danach die erste von unzähligen Balladen ins Mikrofon. Knapp eineinhalb Stunden lang präsentiert sie sich auf der Bühne — mal lasziv als Lolita, mal verträumt und schüchtern. Bei „Million Dollar Man“ wähnt man Lana del Rey und den talentierten Pianisten am Flügel in einem kleinen Jazz-Club, bei „Summertime Sadness“ ist die Bühne in warmes Licht getaucht, dass an kalifornische Sommerabende erinnert.
Und sie kann singen. Das beweist die New Yorkerin bei eigenen Liedern wie „National Anthem“, „Born to Die“ oder „Carmen“. Aber vor allem auch mit diversen Cover-Versionen: „Blue Velvet“, „Knockin' on Heaven's Door“ sowie Nirvanas „Heart-Shaped Box“ singt sie in ihrem sehr eigenen, melancholischen Stil. Wirkt die Hauptdarstellerin doch einmal zu fad oder eintönig, sorgen ihre tollen Begleitmusiker — darunter drei Streicherinnen und ein Kontrabassist — für Abwechslung. Sie sind es auch, die nach eineinhalb Stunden den Abend mit einem ausgiebigen Finale beenden. Und so stehen die Zuschauer etwas verloren in der großen Halle, als Lana del Rey freundlich aber beiläufig die Bühne verlässt. Ein überschwänglicher Abschied hätte die Inszenierung aber wohl auch gestört.