Lengede-Überlebender: „Hoffnung hatten wir keine“

Der ehemalige Bergmann Gerhard Hanusch ist einer der letzten Überlebenden des Grubenunglücks von Lengede vor 50 Jahren.

Lengede. Während die Welt im Oktober 1963 auf die Gemeinde Lengede blickt, kämpft Gerhard Hanusch in einer Luftblase unter der Erde mit den Bergleuten Emil Pohlai und Fritz Leder um sein Leben. Nach acht Tagen in der Tiefe werden die totgeglaubten Kumpel gerettet. Hanusch lebt heute noch in Lengede.

Herr Hanusch, wie haben Sie den 24. Oktober 1963 erlebt?

Gerhard Hanusch: Wir hatten Mittagsschicht. Gegen 21 Uhr haben wir noch Erze abgesprengt. Wir wurden jedes Mal von der Lok zum Schacht gebracht. Wir sind ihr entgegengegangen und haben festgestellt, dass uns Wasser entgegenkommt. Das kam weiter und weiter. Dann sind wir wieder in den Schießscharten rein, da war es 30 bis 40 Meter trocken.

Sie sind also zurück zum Ende des Gangs geflüchtet, den sie in den Fels gesprengt hatten?

Hanusch: Wir wussten ja, dass da Wasser ist und es kein Zurück mehr gibt. Wir kannten die Förderstrecke und alles da unten. Dann haben wir versucht, uns zu melden.

Hat jemand geantwortet?

Hanusch: Nein, wir waren tagelang in Ungewissheit. Hoffnung hatten wir keine mehr. Aber dann fing auf einmal ein Bohrgeräusch von über Tage an. Und dann hörten sie auf einmal auf. Wir dachten, sie haben uns nicht gefunden. Wir wussten ja nicht, dass die Luft nicht entweichen durfte. Wir hatten einen Überdruck, eine Luftblase war das. Die mussten erst oben das Bohrloch abdichten. Sonst wäre das Wasser nachgeströmt, dann wäre es vorbei gewesen.

Sie waren mehrere Tage in der Tiefe eingesperrt. Wie sind Sie da bei Verstand geblieben?

Hanusch: Erzählt, geguckt, gewartet. Unten, da muss man vor allem Ruhe bewahren. Wir haben ja Verpflegung runterbekommen. Zuerst gab es Tee. Wir kriegten auch Pullover über die Versorgungsleitung, es hatte zehn oder elf Grad. Wir konnten durch ein Mikrofon in der Pressluftleitung mit unseren Angehörigen sprechen, mit meiner Frau und Bekannten. Die durften aber nicht sagen, was über Tage geschehen war. Wir sollten ja nicht beunruhigt werden.

Am 1. November konnten Sie schließlich aus dem Berg befreit werden. Wie war das?

Hanusch: Das war wie Weihnachten. Einer kam runter von der Grubenwehr und hat uns in die Dahlbuschbombe gepackt. Ich war der Letzte, ich war als Schießhauer ja praktisch verantwortlich für die Arbeit und musste erst die anderen Kollegen vorlassen. Dann waren wir innerhalb von Sekunden oben.

Was war das Schlimmste?

Hanusch: Oben wurde uns eine Liste gezeigt. Da haben wir erst von dem Unglück erfahren. Das war schlimm. Da standen ja die Namen von den Kollegen, die noch unten waren.