Lindenbergs Ex-Bodyguard Eddy Kante blickt zurück
Hamburg (dpa) - Um das „Atlantic“ macht Eddy Kante inzwischen einen großen Bogen, jenes Hotel an der Hamburger Außenalster, in dem Musiker Udo Lindenberg seine „Panikzentrale“ hat. Jahrelang ging auch Eddy dort ein und aus.
Auf roten Teppichen wich der bullige Mann mit der Sonnenbrille dem Panikrocker nicht von der Seite, auf der Bühne reichte er ihm den Eierlikör. Dann kam es zum Bruch zwischen Bodyguard und Rockstar. Auslöser war das Buch „In meinem Herzen kocht das Blut“. Mit fast einem Jahr Verspätung ist es am Montag erschienen.
Was ist passiert? Eddy Kante (54) hat seine Autobiografie verfasst. Rund 300 Seiten über das Leben des Frank Schröder - so sein eigentlicher Name - aus Hagen. Ein Leben, in dem Gewalt und Kriminalität lange Zeit eine große Rolle spielten. Als Kind wurde er nach eigenen Worten geschlagen und tagelang im Keller eingesperrt, als Erwachsener schlug er selbst zu - auch bei seinen Frauen. Der Hagener Rockerclub Freeway Riders wurde zu einem Zuhause für ihn. Und das Rotlichtmilieu. Seine Einnahmequellen: Schutzgeld kassieren, Spielautomaten aufknacken, mit Drogen handeln, Prostituierte für sich arbeiten lassen.
„Ich habe nichts geschönt und nichts - wie es mir empfohlen wurde - unter den Teppich gekehrt“, schreibt er. „Ich will mich auf keinen Fall mit den dunklen Momenten meines Lebens brüsten, aber ich will dazu stehen und somit Verantwortung für meine eigene Vergangenheit übernehmen.“
Selbstverständlich geht es in dem Buch wie in seinem Leben auch immer wieder um Udo Lindenberg. Mit 15 Jahren hörte Eddy Kante erstmals „Cowboy Rocker“ auf der „Ball Pompös“-Platte. Fortan klebte er jede noch so kleine Information über sein Idol in eine Kladde. Selbst Tante Hilde, bei der er später aufwuchs, half ihm dabei, als er in Haft saß: „Der mit dem Hut war wieder in der Zeitung. Onkel August hat dir das ausgeschnitten.“ Anfang 1979 - da kannten sich Star und Fan bereits - suchte er in Hamburg die Autogrammadresse aus der „Bravo“ auf, stand vor dem Klingelschild „Flexibelbetriebe“ und tauschte wenig später mit Lindenberg schon die Lederjacken, seine alte Jacke sei so später zum berühmten Geschenk für Erich Honecker geworden. „Was für ein netter kleiner Seitenhieb der Geschichte“, schreibt Kante. „Die Lederjacke, die an den Staatschef der DDR ging, war dieselbe, die ein Jahrzehnt zuvor in einem Gemisch aus Alkohol, Motoröl und Urin eines Rockclubs schwamm.“ 1980 war er erstmals als Bodyguard auf einer Tour dabei.
Enger und regelmäßiger wurde der Kontakt zwischen Fan und Idol aber erst viel später. „Der Knackpunkt war der Moment, als ich 1999 entschied, nach Hamburg zu ziehen und Udo mir dabei half“, schreibt er. „Udo war meine Rettung.“ Wie sein Leben sonst verlaufen wäre? „Was wäre, wenn?!“, sagt Kante im dpa-Interview. „Vielleicht wäre ich heute der größte Lude im Ruhrpott, oder ich hätte noch zehn Jahre abzusitzen, oder ich wäre Priester geworden.“ Wie sein Leben in Zukunft aussehen wird? „Keine Ahnung! Automechaniker oder Lastwagenfahrer kommen wohl nicht mehr infrage, aber als Schauspieler würde ich gern mehr machen.“
Denn sein Leben lebt er nun ohne Udo. Das Buch führte zum Streit. Nicht wegen der Udo-Passagen, sondern wegen düsterer Kapitel aus der Vergangenheit. „Von diesen brutalen Details habe ich nie etwas gewusst“, sagt Lindenberg. „Als ich davon erfuhr, zerbrach unsere Freundschaft.“ Er habe Eddy vor sich selber schützen wollen, hatte der 68-Jährige schon auf Facebook erklärt. Auch Kante schreibt: „Udo wusste, dass ich gesessen hatte, ging aber nicht besonders darauf ein. Meine Vergangenheit war auch später kein Gesprächsthema zwischen uns. Er nannte mich seinen persönlichen Resozialisierungsfall, und damit war die Sache für ihn erledigt.“
So kam es zum Zerwürfnis, das letztlich bis zu einem Verfahren am Hamburger Arbeitsgericht führte. In dieser Sache, bei der es um Gehaltszahlungen ging, fanden beide Seiten außergerichtlich einen Kompromiss. Ihre Wege aber bleiben getrennt. „Wir sind beide Westfalen, zwei Dickköpfe - das macht es besonders schwierig“, sagt Kante. „Der Bruch zwischen uns ist wie das Ende einer Ehe nach 33 Jahren.“ Auch sonst seien nur wenige der angeblichen Freunde übrig geblieben. „So ist halt das Showbusiness.“
Jetzt hört Kante nicht einmal mehr die Lieder der Deutschrocklegende. „Kann ich nicht mehr. Aus Trotz, aber auch, weil es wehtut.“ Sein Leben drehe er gerade komplett „auf links“. „Davor habe ich Udos Leben gelebt, meines stand in der Ecke, zu dem habe ich allenfalls im Vorbeigehen mal „Hallo“ gesagt“, sagt er. „Weil ich es aber auch so und niemals anders wollte.“
- Eddy Kante: In meinem Herzen kocht das Blut. Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Berlin, ca. 320 Seiten, 19,95 Euro, ISBN 978-3-86265-281-5.