„Maori Porträts“ erstmals in Europa

Berlin (dpa) - Kurz nach Sonnenaufgang um 7.34 Uhr schallt der Ruf des Muschelhorns durch die kalten klassizistischen Hallen der Berliner Alten Nationalgalerie.

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Mit rituellen Gesängen, Segnungen und Tänzen gestalten am Dienstagmorgen aus Neuseeland angereiste Maori den Auftakt der Ausstellung „Gottfried Lindauer. Die Maori Portraits“.

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Die barfüßigen Männer und Frauen mit den traditionellen Gesichtstätowierungen, Flachsfaser-Röcken und Vogelfeder-Umhängen sind in die von grauen Wolken verhangene deutsche Hauptstadt gekommen, um ihre Ahnen zu begleiten.

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Denn erstmals haben die Nachfahren der auf Lindauers Gemälden gezeigten Menschen zugestimmt, dass die Bilder Neuseeland verlassen. Bislang waren diese Werke des aus Pilsen im heutigen Tschechien stammenden Lindauer (1839-1926) noch nie im Ausland gezeigt worden und deshalb außerhalb ihres Entstehungslandes kaum bekannt. Vom 20. November bis zum 12. April ist die Berliner Ausstellung für das Publikum geöffnet.

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Für die Maori sind die nach Deutschland gereisten, detailreichen und fast Fotografien ähnelnden Bilder nicht nur ein Stück gut dokumentierte Vergangenheit. Es ist für sie, als ob Menschen auf eine Reise gehen. Die Ureinwohner Neuseelands haben eine spirituelle Verbindung zu den auf den Porträts Dargestellten, erklärt Rhana Devenport, die Direktorin der Auckland Art Gallery Toi o Tamaki, wo die meisten der Bilder herkommen. „Wir besitzen Lindauers Werke nicht, wir behüten sie“, betont Devenport.

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Auf rund 50 Gemälden sind die Ureinwohner Neuseelands zu sehen, mit ihren Waffen, kostbaren Schmuckstücken und Tätowierungen - den Mokos, die von der Herkunft und Stammeszugehörigkeit ihres Trägers, seiner Rolle und Stellung in der Maori-Gesellschaft erzählen. Viele der porträtierten Männer und Frauen waren bedeutende Persönlichkeiten, deren Wirken eng mit der Geschichte des Landes verknüpft ist: Stammeshäuptlinge, Krieger, Diplomaten. Kraftvoll und stolz blicken sie den Betrachter an. Ihre Lebensgeschichten sind auf Tafeln unter den Bildern nachzulesen.

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Die Maori selbst gaben die teils auch nach Schwarz-Weiß-Fotografien entstandenen Porträts bei Lindauer in Auftrag - zu einer Zeit, als die jahrelangen Kriege zwischen den Maori und den europäischen Einwanderern beendet und Porträts ehrenvoller Helden gefragt waren.

Der an der Wiener Kunstakademie ausgebildete Lindauer ist nach Angaben der Ausstellungsmacher einer der wenigen Maler des späten 19. Jahrhunderts, der sich fast ausschließlich mit der Darstellung einer indigenen Bevölkerung beschäftigte. Weil seine Auftragslage wegen der aufkommenden Fotografie in Pilsen nicht sehr gut war und ihm die Einberufung zum Militärdienst drohte, schiffte sich der Künstler in Hamburg zur Auswanderung ein. Im August 1874 erreichte er Wellington in Neuseeland und siedelte sich in der Handelsstadt Auckland an. Bis zu seinem Tod lebte Lindauer in Neuseeland.