Mehr Hunde-Angriffe in einigen Bundesländern
Berlin (dpa) - In einigen Regionen Deutschlands hat die Zahl der erfassten Hunde-Attacken deutlich zugenommen. So verzeichnete Bayern im vergangenen Jahr 533 Angriffe von Hunden auf Menschen. Im Vergleich zum Jahr 2011 war das ein Plus von 62 Fällen oder 13 Prozent.
In Sachsen registrierte die Polizei 2014 so viele Hunde-Attacken wie seit acht Jahren nicht mehr: Nach Angaben des Innenministeriums in Dresden wurden 267 Menschen verletzt, als Hunde sie bissen oder ansprangen, darunter auch 39 Kinder.
Ein Sprecher des bayerischen Innenministeriums führt die steigende Zahl von Hunde-Attacken im Wesentlichen auf die steigende Zahl der Hunde in Deutschland zurück. Nach Erkenntnis des Industrieverbandes Heimtierbedarf stieg die Zahl der in Deutschland gehaltenen Hunde zwischen 2011 und 2014 um 26 Prozent auf 6,8 Millionen. „Und wenn mehr Hunde auf den Straßen sind, kommt es auch zu mehr Beißattacken“, sagte der Ministeriumssprecher. Mit einer wachsenden Aggressivität der Hunde hat das seiner Ansicht nach nichts zu tun.
Eine offizielle bundesweite Statistik gibt es nicht. In einem aktuellen Fachartikel im „Deutschen Ärzteblatt“ wird die Zahl der Bissverletzungen in Deutschland auf jährlich insgesamt 30 000 bis 50 000 geschätzt, wobei auch Bisse von Katzen und auch von Menschen einbezogen sind. Von Hunden stammten 60 bis 80 Prozent dieser Bissverletzungen, schreiben die Autoren um die Kinderchirurgin Karin Rothe von der Berliner Uniklinik Charité.
Der Verband für das Deutsche Hundewesen sieht die Statistiken skeptisch. So stelle sich etwa in Sachsen die Frage, ob die Zahl der Beißvorfälle tatsächlich so stark gestiegen sei oder ob der Polizei nur mehr Fälle bekanntwurden, sagt Verbandssprecher Udo Kopernik. „Da wir in der Bundesrepublik leider keine einheitlichen Regeln zur Registrierung von Hunden haben und in den meisten Bundesländern dazu überhaupt keine Daten erfasst werden, ist es eigentlich kaum möglich, derartige Meldungen seriös zu bewerten und einzuordnen.“
In Berlin wurden nach offiziellen Zahlen etwa 600 Menschen im vergangenen Jahr von Hunden verletzt. 2013 hatten Hunde 620 Menschen verletzt, indem sie sie bissen oder ansprangen. Nur 28 der Opfer aus dem vergangenen Jahr wurden von sogenannten Listenhunden angegriffen, die wegen ihrer Rasse als gefährlich gelten. Die aggressivsten Tiere waren mit 113 beziehungsweise 64 Fällen Mischlinge oder Schäferhunde. Auch acht Angriffe von Pudeln sind in der Statistik verzeichnet.
In Schleswig-Holstein stammen die meisten Hundebisse ebenfalls von Schäferhunden - und nicht von Kampfhunden. Mit 20 Fällen standen der Schäferhund und seine Mischlinge zwischen 1. Mai 2013 und 30. April 2014 auf Platz eins, gefolgt von Border Collie und Labrador sowie deren Mischlingen mit zwölf Vorkommnissen. Von insgesamt 140 Beißattacken auf Menschen entfiel in Schleswig-Holstein nur eine auf ein Tier von der Liste der sogenannten Gefahrhunde, von denen es allerdings auch viel weniger gibt als zum Beispiel Schäferhunde.
„Der Grund dafür ist aber nicht die Gefährlichkeit von Schäferhund oder Mischling, sondern die Häufigkeit, in der sie gehalten werden in Deutschland“, betonte die Verhaltensbiologin Ariane Ullrich vom Berufsverband der Hundeerzieher. Die meisten Unfälle mit Hunden im häuslichen Umfeld passierten wegen mangelnden Wissens über Hunde.
Die Zahl der registrierten Hundebisse hat sich in Schleswig-Holstein in den vergangenen Jahren nur geringfügig verändert. 2013 zum Beispiel wurden 167 Fälle gezählt, nach 149 im Jahr davor.
In Brandenburg wurden im vergangenen Jahr 288 Beißvorfälle gegen Menschen gezählt, im Jahr davor waren es 292. Im Jahr 2004 waren noch 453 Fälle in Brandenburg gezählt worden. In Baden-Württemberg bewegte sich die Zahl der Fälle von fahrlässiger Körperverletzung, bei denen Hunde „involviert“ waren, nach Auskunft des Landeskriminalamts in den vergangenen Jahren jeweils um 1100. Für das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen soll es erst im Herbst neue Statistiken geben, die letzten Zahlen sind von 2012.
Für 90 Prozent der Bissverletzungen sei der eigene oder ein bekannter Hund verantwortlich, heißt es in dem Fachartikel von Kinderchirurgin Rothe und ihren Kollegen Michael Tsokos und Werner Handrick. Unter den Opfern seien überproportional viele Kinder. „Dem Biss des Tieres liegt meist eine gestörte Interaktion zugrunde. Häufig wurde das Tier erschreckt, geärgert oder beim Fressen gestört“, schreiben sie.