Wettlauf gegen die Zeit Mexiko-Erdbeben: Fast 300 Tote, „Frida“-Wunder bleibt aus

Mexiko-Stadt (dpa) - Nach dem verheerenden Erdbeben in Mexiko ist die Zahl der Toten auf knapp 300 gestiegen - es gibt kaum noch Hoffnung, Überlebende zu finden. Wie der Leiter des Zivilschutzes, Luis Felipe Puente, mitteilte, starben mindestens 286 Menschen - davon allein 148 in Mexiko-Stadt.

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Nach Angaben von Rettungskräften können eingeschlossene Menschen bis zu 72 Stunden in Trümmern und Hohlräumen überleben - das Beben der Stärke 7,1 hatte sich am Dienstag um 13.14 Uhr Ortszeit ereignet. In Mexiko-Stadt konnten bisher rund 50 Menschen aus Trümmern eingestürzter Gebäude gerettet werden.

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Millionen Menschen haben vergeblich um die Rettung eines angeblich in den Trümmern einer eingestürzten Schule verschütteten Mädchens gebangt. Ein dort vermutetes Kind namens „Frida Sofía“ gebe es nicht, sagte der Vizechef der Marine, Admiral Ángel Enrique Sarmiento. Die Marine koordinierte die Rettungsarbeiten an der Schule „Enrique Rébsamen“ in Mexiko-Stadt. „Wir haben eine Zählung zusammen mit der Direktion der Schule gemacht und haben Gewissheit“, sagte Sarmiento. Zuvor hatten Medien weltweit unter Berufung auf Helfer von dem Phantommädchen berichtet, das noch am Leben sei.

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Bisher wurden aus den Trümmern der Schule nach neuen Angaben 19 tote Kinder und sechs tote Erwachsene geborgen, elf Personen konnten lebend gerettet werden. In Mexiko hatten TV-Sender rund um die Uhr berichtet, Rettungskräfte und Marine-Soldaten wurden interviewt. Immer wieder war bei Helfern von dem angeblich zwölf Jahre alten Mädchen die Rede. Die Geschichte verselbstständigte sich. „Frida Sofía“ wurde zum Symbol der Hoffnung, noch Überlebende in den Trümmerbergen zu finden. Helfer wollten Stimmen gehört haben, das Mädchen sei in einem Hohlraum eingeschlossen und nenne sich „Frida Sofía“, hieß es.

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Zudem war die Rede davon, dass dort noch fünf weitere Kinder mit eingeschlossen sein könnten. Der Marine-Admiral José Luis Vergara, verantwortlich für die Arbeiten vor Ort, sagte: „Es gibt ein Mädchen im zweiten Stock des eingestürzten Gebäudes.“ Bildungsminister Aurelio Nuño rief die Eltern dazu auf, sich zu melden, weil niemand eine „Frida Sofía“ vermisste. Der TV-Sender Televisa, der live berichtet hatte, bat nun um Entschuldigung. „Die Informationen, die wir veröffentlicht haben, basierten auf den offiziellen Quellen.“

Auch für Staatspräsident Enrique Peña Nieto, dessen Politik nur noch von rund 20 Prozent der Bürger gutgeheißen wird, ist der Fall „Frida Sofía“ unangenehm. Statt einer heldenhaften Rettung und eines großen politischen Erfolgs auch für den Präsidenten werden nun Fragen laut, wer für die „Phantomgeschichte“ verantwortlich sei. „Frida Sofía war eine Erfindung Peña Nietos“, meinten Nutzer in sozialen Netzwerken.

Das Beben hatte neben Mexiko-Staat besonders die Bundesstaaten Morelos und Puebla getroffen, Hunderte Gebäude wurden beschädigt. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit - aber auch ein eindrucksvolles Beispiel gelebter Solidarität. Zehntausende Mexikaner packen mit an, helfen beim Wegkarren von Schuttbergen, spenden Kleidung, Essen, Medikamente und Trinkwasser. Zum Symbol wurde die erhobene Faust von Rettern - ein Zeichen an Hausruinen, absolut still zu sein, damit mögliche Klopfzeichen nicht überhört werden.

Das Beben hatte sich genau am Jahrestag des verheerenden Erdbebens vom 19. September 1985 ereignet. Damals starben nach Schätzungen bis zu 10 000 Menschen. Dass es dieses Mal nicht so schlimm kam, hängt auch mit deutlich verschärften Bauvorschriften gerade für Hochhäuser zusammen, die besser auf Erschütterungen und Schwankungen ausgerichtet werden müssen. Viele der nun eingestürzten Gebäude sollen vor 1985 gebaut worden sein. Außerdem gibt es in Mexiko regelmäßige Erdbebensimulationen und umfangreiche Katastrophenpläne.

Für Millionen Schüler fällt vorerst der Unterricht aus. Die Schulen werden auf Schäden untersucht, die Stromversorgung steht weitgehend wieder. Mexiko ist eines der erdbebengefährdetsten Länder. Das Land liegt am Pazifischen Feuerring, hier treffen zwei Platten der Erdkruste aufeinander. Durch Verschiebungen können Beben entstehen.