Millionen-Streit um OP-Fehler
Hirn von Patientin geschädigt. Gericht regt Vergleich an.
Hamm. Zehn Jahre nach einem Ärztefehler in einem Krankenhaus in Herne hat das Oberlandesgericht Hamm im Berufungsverfahren gestern einen Vergleich über 1,5 Millionen Euro vorgeschlagen. Die Streitparteien haben jetzt rund vier Wochen Zeit, um über diese Summe zu entscheiden. Lehnt einer der beiden den Vorschlag ab, geht das Verfahren weiter. Zusammen mit in den vergangenen Jahren bereits gezahlten Beträgen erhielte das Opfer, eine heute 41-jährige Griechin, damit rund zwei Millionen Euro.
Das Landgericht Bochum hatte ihr in der ersten Instanz Schmerzensgeld in Höhe von 430 000 Euro zugesprochen und eine monatliche Rente von rund 16 000 Euro. Dagegen hatte das Krankenhaus die zweite Instanz angerufen.
2004 war die Griechin als Patientin nach Deutschland gereist. Weil sie von der medizinischen Versorgung in Deutschland überzeugt war, zog sie Experten eines Krankenhauses in Herne für eine Hals-OP den Kollegen in ihrer Heimat vor. Nach einer Halsoperation war es zu Blutungen und Sauerstoff-Mangel gekommen. Die Frau erlitt Hirnschädigungen und lag vier Monate im Koma. Heute ist sie auf Betreuung und Pflege angewiesen. Das Krankenhaus hatte den Ärztefehler anerkannt.
In seiner Begründung für die vorgeschlagene Summe von 1,5 Millionen Euro bezog sich das Gericht auf Schadenersatzsummen bei Geburtsschäden durch Ärztefehler. In extremen Fällen seien für Kinder in Deutschland Beträge von 2,5 bis drei Millionen Euro gezahlt worden. „Auch wenn sich unser Fall tragisch entwickelt hat, mit den Geburtsfällen ist er nicht vergleichbar“, sagte Richter Joachim Lüblinghoff. Laut seinen Informationen wäre eine monatliche Rentenzahlung nach einem Ärztefehler von fast 16 000 Euro die höchste, die je ein Gericht in Deutschland verhängt hat.
Karoline Seibt, Anwältin der Griechin, zeigte sich in einer ersten Reaktion von der Höhe des Gerichts-Vorschlags „extrem enttäuscht“. Sie will sich jetzt mit ihrer Klientin beraten. „Sie ist eine unglaubliche Kämpferin und hat einen starken Willen“, sagte Seibt. Ob sie die Frau von dem Vorschlag des Gerichts überzeugen könne, wisse sie nicht. Nach zwei Reha-Aufenthalten habe sie sich zurück ins Leben gekämpft. „Sie kann wieder recht gut sprechen, auch auf deutsch, aber ihre motorischen Fähigkeiten sind stark eingeschränkt. Eine Tasse Kaffee kann sie nicht alleine halten. Sie ist rund um die Uhr auf Betreuung angewiesen“, sagte Seibt.
Auf der Seite der Beklagten müsste die Versicherung des Krankenhauses dem Vorschlag des Gerichts zustimmen. Das Gericht kritisierte die Anwälte von Klinik und Versicherung. Die Versicherung hatte die Patientin von Detektiven in Athen beschatten lassen. Sie sollten überprüfen, ob die Griechin die von Gutachtern bescheinigten Reha-Maßnahmen auch wirklich benötigt. lnw