Models und Mädchen: Von der Traumfigur zum Trauma Magersucht

Berlin (dpa) - Bis morgen laufen sie in Berlin noch über die Stege, die für sie die Welt bedeuten: die hochgewachsenen, superschlanken Models. Die Fashion Week (6.-10.7.) präsentiert sie und die neueste Mode bei zahlreichen Laufstegschauen im Modezelt am Brandenburger Tor.

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Traum-Frauen, Traum-Figuren.

In den vergangenen 50 Jahren wurden Models immer jünger und dünner - bis hart an die Grenze zum Mageren. Parallel dazu, so könnte man fast sagen, nahm die Zahl der Magersüchtigen zu. Ein Grund „scheinen gesellschaftliche Einflüsse wie das westliche Schönheitsideal zu sein“, sagt das Bundesgesundheitsministerium.

Diese Entwicklung wurde in den vergangenen Jahren zwar immer kritischer gesehen. Dennoch gibt es nach Ansicht der Grünen-Gesundheitspolitikern Maria Klein-Schmeink in der Modebranche nach wie vor einen Trend zu Magermodels. „Das muss man schon fast als Berufskrankheit betrachten“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.

„Ganz offensichtlich hat die Modewelt ein Problem mit Magersucht (Anorexie)“, heißt es im Trailer des jetzt anlaufenden Dokumentarfilms „Seht mich verschwinden - die Geschichte der Isabelle Caro“ von Kiki Allgeier. Die durch die Krankheit berühmt gewordene französische Schauspielerin starb 2010 an den Folgen der Magersucht.

Der Fotograf Oliviero Toscani, der Caro und ihre Krankheit 2007 mit einer Plakataktion in die Öffentlichkeit gebracht hatte, sagt: „Wir leben in einer anorektischen Gesellschaft.“ - Das soll wohl anklagend überspitzt das heutige Gesellschaftsideal konterkarieren.

Grundsätzlich ist es schwierig, Magersucht und damit genaue Daten dieser Krankheit zu definieren. Stephan Zipfel und Wolfgang Herzog (damals beide Uniklinik Heidelberg) gingen 2000 davon aus, dass in Deutschland mehr als 100 000 Mädchen und Frauen und 10 000 Jungen und Männer an dieser Erkrankung (Anorexie) leiden.

Magersucht, das heißt über die Jahre Haarausfall, ausfallende Zähne, für Frauen ausbleibende Monatsregel, ausgetrocknete, brüchige und wunde Haut, Versagen der inneren Organe - Nieren und Herz vor allem - sowie Knochenschwund. Bis zu 20 Prozent der Magersüchtigen sterben an den Folgen ihrer Erkrankung. „Damit ist die Anorexie die tödlichste psychische Störung, die wir kennen.“

Ein perfektes Körpermaß ist nur mit extremer Leistungsbereitschaft und äußerster Disziplin zu schaffen. Damit vermitteln die Models ein Leistungsdenken und Körperideale in die Gesellschaft hinein, „die gerade für Pubertierende eine verhängnisvolle Anreizwirkung haben können“. Denn auch Magersucht sei „oft verbunden mit sehr hohen Leistungsanforderungen an sich selber und mit einem ausgeprägten Bedürfnis, die Dinge für sich unter Kontrolle zu behalten“, erläutert Klein-Schmeink.

Verführen also die Models unsere Kinder und Jugendlichen zur Magersucht? So einfach ist das nicht, sagt Klein-Schmeink. Models mögen eine Anreizwirkung haben, die Ursachen für Essstörungen, ob Fett- oder Magersucht, liegen früher in der Entwicklung und tiefer - unter anderem in der Familie und der engeren Umgebung, gepaart mit komplexen gesellschaftlich vorherrschenden Leistungs- und Sozialisationsidealen. „Ich bin bis zu meinem 11. Lebensjahr eingesperrt gewesen“, sagt Isabelle Caro. Der Vater war wohl kaum zu Hause und die Mutter depressiv.

Um die Anreizwirkung durch Magermodels auf Jugendliche etwas zu entschärfen, hat die frühere Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) 2008 eine Selbstverpflichtung mit der Modebranche vereinbart, keine krankhaft dünnen Models mehr auf den Laufsteg zu lassen. Diese Vereinbarung ist Teil der schon zuvor gestarteten Regierungskampagne „Leben hat Gewicht - gemeinsam gegen den Schlankheitswahn“. Models sollen mindestens 16 Jahre sein und den Body-Mass-Index (BMI) 18,5 oder in etwa Konfektionsgröße 36 haben. Der Body-Mass-Index setzt Körpergröße und Gewicht ins Verhältnis.

Auch wenn die Regierungskampagne heute etwas in Vergessenheit geraten ist, sie hat offensichtlich das Bewusstsein bei Modeleuten geschärft. Der Berliner Designer Michael Michalsky (48) sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Natürlich sollen auch bei mir die Models groß sein, weil die Mode dann eben toll aussieht. Aber groß heißt nicht dünn. Wenn jemand zu dünn ist, hat er Essstörungen. Und das ist eine Krankheit. Dann braucht er Hilfe und gehört nicht auf den Laufsteg.“