Musikalischer Gewinn: „Zauberflöte“ zum Grübeln
Salzburg (dpa) - Das schillernde Kulturfestival in Salzburg startet mit Mozarts populärer Märchenoper „Die Zauberflöte“. Das klingt nach buntem, heiterem Auftakt. Es kam aber ganz anders.
Begeistert schieben die beiden jungen Pärchen Kinderwagen über die Bühne: Trautes Familienglück steht am Ende als Lohn für alle bestandenen Prüfungen. Das Match zwischen Wissen und Emotion dagegen fällt unentschieden aus: Weder Sarastro noch der Königin der Nacht gelingt es, die Macht an sich zu reißen. Als grüblerische Geschichte des Erwachsenwerdens mit vordergründig idyllischem Ausgang hat Jens Daniel Herzog Mozarts Oper „Die Zauberflöte“ bei den Salzburger Festspielen inszeniert.
Die szenische Umsetzung stieß bei den Premierengästen auf geteilte Meinungen. Große Zustimmung gab es dagegen für Dirigent Nikolaus Harnoncourt, der ebenfalls tiefschürfend zu Werke ging und dem spröden Abend zu musikalischem Gewinn verhalf. Harnoncourt, der sich mit seinem Ensemble Concentus Musicus und historischen Instrumenten dem Mozartschen Originalklang verpflichtet fühlt, hat die Partitur neu gelesen.
Der Dirigent verzichtet auf üppiges, philharmonisches Volumen. Bündig und trocken, fast lapidar klingt das bisweilen bei den Streichern, während die Bläser in dunklen Schattierungen glänzen. Harnoncourt setzt in seiner gegen die Tradition gebürsteten Sichtweise auf ungewöhnliche Tempi, verzögert oft, als wollte er Denkpausen einfügen, und setzt dann wieder mit plötzlichen Schärfen straffe Akzente.
Das hemmt mitunter den Fluss, gibt aber den Sängern breiten Raum. Dies weiß vor allem Georg Zeppenfeld zu nutzen, der als Sarastro voll und mächtig die Szene beherrscht. Der Tamino des Bernard Richter ist ein wandlungsfähiger und virtuoser Gegenpart der warmen, anmutigen Pamina von Julia Kleiter. Strahlend und klar stellt sich Mandy Fredrich als Königin der Nacht vor.
Der in Salzburg auf den Papageno abonnierte Markus Werba darf als einziger in dieser strengen Inszenierung ein wenig komisch sein, kommt im Kabinenmoped auf die Bühne und führt in seinem Anhänger „Singvögel und Delikatessen“ mit sich. Da ist der Chor ein Trupp Hausfrauen aus den 1950ern mit Blumenschürzen und Einkaufskörben.
Später, in Sarastros Reich, wandelt er sich zu einem strengen wissenschaftlichen Gremium in weißen Mänteln. Das herrscht in einem Internat über Heranwachsende, die das Geschehen von ihren Schlafsaalbetten aus neugierig beobachten - und keifend, wenn sich Rudolf Schasching als Manostatos über die verschreckte Pamina hermachen will.
Ein junges Paar auf dem Weg des Erwachsenwerdens, das seinen Pfad zwischen Verstand und Gefühl schlagen muss - diese Geschichte will Regisseur Herzog erzählen und setzt dabei mit Ausstatter Mathis Neidhardt auf einen Bühnenaufbau, der mit dem Motiv der doppelten Realität spielt und der Arkadenwand der Felsenreitschule einen gleichgestalteten Vorbau hinsetzt.
Die gewaltigen Elemente verschieben sich, gleichgeartete Türen mit rätselhaften Buchstaben führen ins Nichts, einmal tauchen aus dem Dunkel Wölfe mit leuchtend roten Augen auf. Die schwerfällige Szene wirkt dabei oft ebenso wie die Personenführung unschlüssig. Herzog, der, wie er in Interviews sagte, bewusst gegen die Erwartung von einer opulent-bunten Zauber-Oper gearbeitet hat, stellt viele Fragen, bleibt aber auch Antworten schuldig.