Myanmars Tempel in Bagan erstrahlen in falschem Glanz

Bagan (dpa) - Bei Sonnenuntergang setzt sich der Staub in der Ebene von Bagan in Myanmar langsam, und unzählige majestätische Tempel und Pagoden ragen angestrahlt in den Abendhimmel.

Foto: dpa

Surreal schön ist das - zu schön, sagen Kritiker. Die Militärjunta, die das Land bis 2011 Jahrzehnte lang im eisernen Griff hatte, ist schuld.

Um Touristen ins Land zu locken, ließ sie hunderte Tempel mit Zement und Ziegeln zu schönen Bauten aufmöbeln - „aber wie das gemacht wurde, widerspricht allem, was international als Grundstandard der Denkmalpflege gilt“, sagte der Architekt und Bagan-Spezialist Pierre Pichard der Zeitung „Le Parisien“. 1000 Jahre alte Ruinen erstrahlen zwar in neuem Glanz, nur weiß eigentlich niemand, was daran tatsächlich noch aus dem 10. Jahrhundert stammt und ob die Tempel überhaupt auch nur einigermaßen authentisch nachgebaut sind. Genau genommen sind viele Kulturgüter von Bagan nicht nur gefährdet, sondern eigentlich schon ruiniert.

1996 wollte die Junta das Gelände in die Liste der besonders schützenswerten Weltkulturerbe der UN-Kulturorganisation (Unesco) einschreiben lassen. „Das Welterbekomitee hatte keinen Zweifel an der Einzigartigkeit von Bagan, aber es bat um einen detaillierten Managementplan, um alles zu erhalten“, sagt Tim Curtis vom Unesco-Büro in Bangkok. „Wir waren besorgt über Pläne zum Bau von Golfplätzen.“ Die Junta habe die Forderung als Brüskierung ausgelegt, den Antrag zurückgezogen und sich ans Werk gemacht.

„Die Regierung hat eine Art Disney-Fantasieversion gebaut“, urteilte Unesco-Spezialist Christian Manhart 2005 empört. „Sie haben falsches Material verwendet und falsch geformte Strukturen auf prächtige Bauten gesetzt.“ Die Junta-Generäle erklärten ihn zur unerwünschten Person. Der australische Archäologe Bob Hudson schreibt etwas diplomatischer: „Die Restaurierung von Bagan ist das vielleicht radikalste Kulturerbe-Managementprojekt der Neuzeit.“

Nach seinen Angaben legten Bauarbeiter an mindestens 1030 Bauten Hand an. Hunderte Ruinen wurden völlig neu erschaffen, teils mit neuen Ziegelsteinen auf alten Fundamenten, teils nach dem Muster naher Tempel, aber ohne Rücksicht auf Authentizität. Innenwände wurden im modernen Stil weiß getüncht und Pagoden bekamen die heute üblichen buddhistischen Metallschirmchen, die damals nicht üblich waren.

Bagan war einst der Königssitz, von dort regierten Herrscher praktisch das gesamte heutige Myanmar im 13. Jahrhundert. Mehr als 3000 Tempel und Pagoden entstanden vom 10. bis 14 Jahrhundert auf 42 Quadratkilometern. Dann begann der Stern Bagans zu sinken. Der Ort gilt bis heute als Pilgerstätte und religiöses Zentrum, aber die Bauten verfielen langsam, durch Überschwemmungen, Tempelräuber, und mindestens 16 Erdbeben, das bislang letzte und schwerste 1975.

Entsetzen löste auch der 60 Meter hohe Betonturm aus, den Tay Za, ein unter der Militärjunta einflussreicher Geschäftsmann, neben einem 150-Betten-Hotel mitten im Tempelbezirk bauen durfte. „Unsere Behörde hat damals Einspruch eingelegt, aber wir konnten nichts tun“, sagt San Win, der ehemalige Direktor der Archäologiebehörde. „Einige Leute standen über dem Gesetz.“

Offiziell heißt es, Bagans Tempelebene sei keine Museumsstätte, Pilger nutzten die Tempel nach wie vor und es gebühre jedem Ort der Einkehr, dass er instandgehalten und modernisiert werde. Der Popularität Bagans tut die zweifelhafte Restaurierung keinen Abbruch: Die Ebene ist eines der Highlights auf jeder Myanmar-Tour.

Dennoch: die 2011 angetretene Reformregierung will die Sache besser machen. Italien half mit Geld und Experten, um einen neuen Unesco-Antrag vorzubereiten. Diesmal ging es um Überreste der Pyu-Kultur, die vor mehr als 2400 Jahren blühte, Handel mit Indien betrieb und den Buddhismus nach Südostasien brachte. Im Juni konnte Myanmar seinen ersten Eintrag in die Liste des Weltkulturerbes feiern: drei Pyu-Stätten wurden aufgenommen, darunter Sri Ksetra, etwa 280 Kilometer nördlich der Hafenstadt Rangun. Es sind nur Stadtfundamente und ein paar kleine Pagoden erhalten. Im Rampenlicht der Unesco stehen sie jetzt unter absolutem Denkmalschutz.