Reisen Nachbar im Flugzeug macht Terror-Witze - Wann muss ich Angst haben?
Angst vor Terror ist nach einer Reihe von Anschlägen in Europa sehr präsent. Sind wir zu ängstlich? Und wie verhalte ich mich im Krisenmoment?
Berlin. Sie haben geredet und sie hat es gehört. Drei Briten saßen im Flugzeug und sagten irgendetwas, das bei der Frau einen Terrorverdacht auslöste. Sie meldete dies beim Personal, und der Pilot landete ungeplant am Flughafen Köln/Bonn. Das Flugzeug mit 151 Passagieren wurde geräumt, viele andere Flüge verspäteten sich wegen des Zwischenfalls, teilweise um viele Stunden. Nur wegen ein paar Worten, der Verdacht war wohl haltlos. Sind wir nach den Terroranschlägen in Brüssel, Paris, Nizza, Berlin und Manchester zu misstrauisch geworden? Was kann im Flugzeug heute noch gesagt werden?
Klar ist: „Es gibt keine Vorgaben, welche Worte man während des Fluges verwenden kann und welche nicht“, sagt Reiserechtler Paul Degott. Der Umgang mit der Sprache sollte aber natürlich rücksichtsvoll sein. Schlechte Witze, zum Beispiel über eine vermeintliche Waffe oder Bombe im Gepäck, solle man sich auf jeden Fall verkneifen. Denn so etwas werde sofort ernst genommen.
Das musste zum Beispiel 2015 eine Flugreisende in Frankfurt/Main am eigenen Leibe erfahren. Ihre spöttische Frage „Na, haben Sie die Bombe gefunden?“ bescherte ihr eine intensive Kontrolle. Sie durfte nicht mitfliegen. Und sie hatte obendrein eine Strafanzeige wegen „Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten“ am Hals. Das ist kein Bagatelldelikt, es drohen bis zu drei Jahre Haft.
Ein Flughafen kann für solche deplatzierten Sprüche übrigens auch ein Hausverbot verhängen, so geschehen im Jahr 2010 am Flughafen Rostock-Laage. Dort machte ein Mann einen Bombenwitz, als das Kontrollgerät anschlug. Ein Jahr lang durfte er nicht ins Terminal.
Zurück zum Fall von Köln/Bonn: Was genau die drei Briten auf dem Easyjet-Flug aus dem slowenischen Ljubljana nach London gesagt hatten, ist nicht bekannt. Den Verdacht einer geplanten Terrortat hatte bei dem Vorfall am Samstagabend nur eine Zeugin geäußert. Für die Kosten müssen die Männer voraussichtlich nicht aufkommen. Der Polizei zufolge liegt kein Strafbestand vor.
Während eines Fluges ist der Pilot die höchste Instanz: Er hat sozusagen Polizeigewalt. Gibt es einen Verdacht, dann muss er entscheiden, ob diesem nachzugehen ist. „Dabei gilt es, die Gesamtsituation zu beurteilen. Diese besteht, neben dem gesprochenen Wort, auch aus dem generellen Verhalten der betroffenen Passagiere“, sagt Markus Wahl von der Pilotengewerkschaft Cockpit.
„Es ist wichtig, dass man nicht gleich in eine Hysterie verfällt und jedes einzelne Wort auf die Goldwaage legt.“ Sollten jedoch geringste Zweifel an der Sicherheit des Fluges bestehen, sei eine Zwischenlandung die beste Lösung, betont Wahl. Piloten trainierten regelmäßig Szenarien wie Bombendrohungen.
Der Angstforscher Christian Lüdke vermutet, dass der Fall andere Fluggäste vor unbedachten Kommentaren abschrecken wird. „Durch das, was mit den drei Passagieren passiert ist, werden Menschen vorsichtiger. Sie werden genau überlegen: Sollte ich sowas in der Öffentlichkeit sagen?“
Dass der Pilot die Entscheidung traf, hat für Lüdke wenig mit überzogener Angst zu tun. „Ich glaube nicht, dass wir sehr hysterisch sind“, sagt er. Der Fall zeige vielmehr, wie sensibel Menschen seien könnten.
Wegen der aktuellen Bedrohungslage sei zwar die Wahrnehmung in Sachen Terror geschärft, doch generell hätten Menschen ein ausgeglichenes „Angstniveau“. „Was sich ändert, ist lediglich die Angstrichtung“, sagt Lüdke. „Mal haben wir Angst, unsere Kinder könnten erkranken, mal haben wir Angst, unseren Job zu verlieren, mal haben wir Angst, der Partner könnte sich von uns trennen.“ Oder eben vor Terror.
Die Pilotenvereinigung Cockpit hat in den vergangenen Monaten keine Häufung ähnlicher Verdachtsfälle registriert. Die Flugzeugbesatzungen seien momentan aber besonders wachsam. „Dass es dadurch allerdings zu häufigeren Verdächtigungen kommt, halte ich für nicht wahrscheinlich“, sagt Wahl. Grundsätzlich müssten Flugbegleiter und Piloten von einem funktionierenden Sicherheitssystem ausgehen.