Narren-Gesang: Was macht ein Lied zum Karnevals-Hit?
Der Song muss die Menschen berühren, sagt der Experte, und der Text zur Stimmung passen.
Köln. Sie lassen uns singen, grölen, lachen und weinen. Sie sind zum Feiern, zum Tanzen und zum Dahinschmelzen. Lieder steuern Emotionen, und ohne den richtigen Hit wäre Karneval nur halb so schön. Zur fünften Jahreszeit spielen die Jecken in ganz Deutschland ihre Lieblingslieder rauf und runter. Das gilt ganz besonders für die Karnevalshochburg Köln. Aber wie kommt es eigentlich, dass manche Lieder zur Karnevalszeit echte Dauerbrenner sind — und andere nicht?
Einer, der diese Frage im Schlaf beantworten können müsste, ist Musikexperte Thomas Brück. Seit 20 Jahren ist er der Manager der Höhner („Viva Colonia“, „Die Karawane zieht weiter“, „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ „Pizza wundaba“). Doch selbst Brück kennt kein Geheimrezept. „Wir wissen nie, was ein Hit wird“, sagt er. Letztlich entscheide das Publikum. Wichtig sei, dass der Song die Menschen berühre.
Der Text muss also zur Stimmung passen. In Karnevalsliedern geht es deshalb oft um Männer und Frauen, ums Feiern und darum, mit anderen zusammenzusein. Die Liedzeile „Da simmer dabei“ aus dem Vorzeige-Höhner-Hit „Viva Colonia“ beweist, wie gut so ein verbindendes Moment beim Publikum ankommt. Da grölt man sogar beim Straßenkarneval 40 Kilometer rheinabwärts in Düsseldorf textsicher mit.
„Viva Colonia“ zählt heute bundesweit zu den bekanntesten Textzeilen aus einem deutschsprachigen Lied. Der Refrain sei deshalb so erfolgreich, weil er aus vielen Vokalen bestehe, glaubt Brück. „Vokale lassen sich besonders gut singen,“ sagt er. Außerdem kommt der Text „Viva Colonia“ genau auf dem Höhepunkt der Melodie. „Wenn die Menschen das hören, sind sie automatisch animiert mitzusingen.“ Der Refrain hätte ursprünglich übrigens nicht „Viva Colonia“, sondern „Wo ist die Party?“ lauten sollen. Brück ist froh, dass es anders kam.
Trotzdem: Wirklich planen kann auch der Höhner-Produzent einen Hit nicht. Selbst nach 20 Jahren glaube er manchmal, ein Lied werde einschlagen wie eine Bombe — und dann kommt der Song doch nicht so gut an. Auch der Musikwissenschaftler Julio Mendívil bezweifelt, dass es ein Rezept gibt. „Jede Plattenfirma würde sich freuen, wenn sie die Formel für einen Hit kennen würde“, sagt der gebürtige Peruaner und Dozent an der Hochschule Hannover. Sicherlich müsse die Melodie eingängig sein und der Text einfach, damit die Leute mitsingen können. Zu jeder Regel gebe es aber Ausnahmen.
Zum Beispiel trifft das Vorurteil, dass ein Karnevals-Hit einen möglichst platten Text haben muss, nicht unbedingt zu. Die Kölner Band Bläck Fööss bezieht in ihren Liedern sogar politische Positionen, etwa in „En unserem Veedel“ („In unserem Viertel“). Der Song ist trotzdem — oder gerade deswegen — sehr beliebt. Es geht um den Erhalt der alten Stadtviertel.
Inzwischen haben die etablierten Bands Konkurrenz bekommen: Rockige, poppige Gruppen wie Kasalla oder Cat Ballou kämpfen sich nach vorne. Die Band Querbeat hat auf der Kölner Prinzenproklamation in diesem Jahr sogar eine House-Nummer gespielt.