Wechsel nach Kassel Neue Geschäftsführerin für die documenta
Kassel/Hannover (dpa) - Die zuletzt von Finanzquerelen erschütterte Weltkunstausstellung documenta bekommt eine neue Geschäftsführung:
Die 55-jährige Kulturmanagerin Sabine Schormann wechselt zum Herbst von Hannover nach Kassel und wird dort Generaldirektorin, wie der documenta-Aufsichtsratschef und Kasseler Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD) am Mittwoch in Kassel mitteilte.
Schormann war zuletzt in Doppelfunktion Direktorin der Niedersächsischen Sparkassenstiftung und der VGH-Stiftung. Nach eigenen Angaben tritt sie ihren neuen Posten zum 1. November an. „Ich möchte gerne, dass die documenta wieder in ihrer gewohnten Pracht als internationale Plattform künstlerischen Austauschs erstrahlen kann“, sagte Schormann der Deutschen Presse-Agentur. Sie sprach von einer „großen, herausfordernden Aufgabe“ bei der documenta.
Geselle sagte zur neuen Hoffnungsträgerin: Die documenta habe eine Führungspersönlichkeit mit internationaler Expertise im Kunst- und Kulturmanagement gefunden. Sie selbst bezeichnet ihre Rolle als „Ermöglicherin“: Sie wolle der Kunst und der documenta „größtmögliche Entfaltung und öffentliche Wahrnehmung zusichern, ohne dabei selbst künstlerisch einzugreifen“. Ihr Ziel sei es auch, dass die documenta bis zur ihrem Start im Juni 2022 mehr Sichtbarkeit in der Stadt erfährt.
Die gemeinnützige documenta und Museum Fridericianum GmbH hatte bei ihrer Ausstellung im Jahr 2017 an den beiden Standorten Kassel und Athen ein Millionendefizit verzeichnet, was für viel Ärger sorgte. Zuletzt wurde das Minus mit 5,4 Millionen Euro angegeben. Aktuellere Angaben wurden auch am Mittwoch nicht gemacht. Wirtschaftsprüfer erstellten derzeit die Bilanz für das Jahr 2017. Sie solle im Sommer vorliegen, sagte Geselle. Die Stadt Kassel und das Land Hessen als Gesellschafter sicherten die Zahlungsfähigkeit der documenta mit einer Bürgschaft. Für die Zukunft versprach Geselle: Man werde „eine vernünftige finanzielle Ausstattung“ für die „Weltmarke documenta“ sicherstellen.
Im November wurde bekannt, dass die Kunsthistorikerin Annette Kulenkampff ihren Posten als Geschäftsführerin räumt. Sie war seit April 2014 im Amt gewesen und mitverantwortlich für die documenta 14 im vergangenen Jahr. Zum 1. April übernahm dann der Musikmanager Wolfgang Orthmayr übergangsweise die Geschäftsführung. Er soll in enger Abstimmung mit Schormann bis Ende Oktober im Amt bleiben und das operative Geschäft leiten.
Geselle zufolge gab es mehr als 50 Kandidaten für den Chefposten der Geschäftsführung. Die dortige Schlüsselposition wurde umbenannt. Schormann fungiert nun als Generaldirektorin. Das Amt verdiene eine „inhaltliche Aufwertung“ und solle die Bedeutung der Person an der Spitze verdeutlichen, erklärte Geselle.
Hessens Minister für Wissenschaft und Kunst, Boris Rhein (CDU), freut sich über die Verpflichtung der „ausgewiesenen Kunstexpertin“. Mit ihr an der Spitze werde die Zukunft der documenta auf ein solides Fundament gestellt. „Die documenta ist ein großer Glücksfall und Schatz für das Kulturland Hessen, den wir bewahren müssen.“ Rhein ist stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender.
Die documenta ist die bedeutendste Schau zeitgenössischer Kunst und wird alle fünf Jahre veranstaltet. Die nächste Ausstellung soll vom 18. Juni bis zum 25. September 2022 in der nordhessischen Stadt stattfinden. Derzeit läuft die Suche nach der künstlerischen Leitung. Bis zum Jahresende soll auch diese Spitzenposition besetzt werden. Es gebe schon Namen für die Findungskommission, sagte Schormann. Die Kandidaten würden nun angesprochen. Außerdem werde Schormann den Prozess zur Entwicklung des documenta-Instituts begleiten, sagte Geselle.
Belastet wird die documenta noch von Nachforschungen der Staatsanwaltschaft Kassel wegen des Verdachts der Untreue. Es gebe aber noch keine (Zwischen-)Ergebnisse. Die Ermittlungen dauerten an, sagte Staatsanwältin Verena Bring der Deutschen Presse-Agentur. Gegen wen genau von den documenta-Verantwortlichen sich die Ermittlungen richten, wollte die Sprecherin nicht sagen. Das Verfahren wurde Ende Januar eingeleitet, nachdem sich ein Anfangsverdacht nach Berichten von Wirtschaftsprüfern bestätigt hatte. Zu den Belastungen durch das Finanzdefizit und die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wollte Schormann nichts sagen: „Wir wollen jetzt nach vorne schauen.“