Niederländer schwören auf die Monarchie
Amsterdam (dpa) - Es ist mäuschenstill in der Krönungskirche der Niederlande, der Nieuwe Kerk in Amsterdam. Keine Musik, nicht einmal Husten oder Flüstern. Obwohl die Kirche mit über 2000 Menschen gefüllt ist, herrscht um 13.45 Uhr völlige Ruhe.
Gespannte Ruhe. Und dann hört man plötzlich durch die geöffnete Tür von draußen ein „Aaaaaah!“
Auf Fernsehschirmen, die überall in der Kirche hängen, können die Anwesenden sehen, was der Grund für die Begeisterung ist: Soeben sind der neue König Willem-Alexander und seine Frau Máxima in der Tür des Königlichen Palastes erschienen, um den kurzen Weg zur Kirche zurückzulegen. Und ihr Anblick ist für viele einfach überwältigend: Der König mit einem langen, hermelinbesetzten Purpurmantel um die Schultern, die Königin in einem tiefblauen Kleid mit funkelndem Diadem im Haar.
Als das Königspaar die Kirche betritt, lächelt in der ersten Reihe jemand und nickt zustimmend mit dem Kopf. Das ist Beatrix, bis zu diesem Vormittag Königin der Niederlande, nunmehr Prinzessin. Mit einer einzigen Unterschrift hat sie das Zepter an ihren Ältesten weitergereicht.
Eingerahmt von ihren ebenfalls königsblau gekleideten Enkeltöchtern, erscheint sie nun ungewöhnlich gelöst. Immer wieder beugt sie sich zu den Mädchen hinab, tuschelt, lächelt. Das hat man so kaum je gesehen. Es wirkt, als wäre eine große Last von ihr abgefallen. Die drei Prinzessinnen aber haben längst die Herzen der Gäste erobert.
Ein Ruf ertönt: „De Koning!“ (Der König!) Unter Fanfaren zieht das Königspaar zu seinen goldenen Stühlen. Alle stehen auf, die Zeremonie beginnt mit der Nationalhymne: „Wilhelmus von Nassawe (Nassau), bin ich von deutschem Blut...“ Das Lied erinnert an die deutschen Wurzeln der Oranier, die aus Dillenburg im Westerwald stammen. Als der letzte Ton verklungen ist, brandet draußen Applaus auf.
Was für ein Unterschied zur Amtseinführung von Beatrix vor 33 Jahren! Damals konnte man in der Kirche den Lärm der Demonstranten und Randalierer hören, die fast die Polizei-Absperrung durchbrochen hätten. Wenn man daran denkt, kann man ermessen, was Beatrix in ihrer Amtszeit für die Stabilisierung der Monarchie getan hat.
Mit fester Stimme hält der König nun die wichtigste Rede, die er je gehalten hat. Und es ist eine gute Rede, wie hinterher fast alle Kommentatoren sagen werden. Zunächst spricht er über seine Mutter: „Liebe Mutter, auf Dich war immer Verlass. Danke für die vielen schönen Jahre, in denen wir Dich zur Königin haben durften!“ Nun brandet auch in der Kirche langer Beifall auf. Beatrix' Augen, die von zahllosen Krähenfüßen umgeben sind, füllen sich mit Tränen.
Danach spricht der König über sich. „Jeder neue Amtsinhaber ist eine andere Persönlichkeit in einer anderen Zeit“, sagt er. Willem-Alexander bewundert seine Mutter, aber er ist anders. Er ist spontaner, unkomplizierter, aber auch weniger intellektuell. Auch darum bezeichnet dieser Tag einen Epochen-Wechsel.
Dann der Höhepunkt der Zeremonie: der Treueeid des Königs auf das Grundgesetz. „Ich schwöre den Völkern des Königreichs, dass ich die Verfassung stets wahren und schützen werde.“ Wieder sind die Jubelrufe der Volksmenge auf dem Damplatz zu hören. Gekrönt wird der neue Monarch nicht - das hat in den Niederlanden keine Tradition. Die Krone bleibt während der ganzen Zeremonie auf einem mit Purpur überzogenen Tisch liegen.
Nach dem Eid des Königs ist es an den Parlamentariern, ihm zu huldigen. In einer kurzen Ansprache geht der Präsident des Senats, Fred de Graaf, auch auf die neue Kronprinzessin Amalia ein. Sie werde sich, wenn sie älter werde, sicher auch deutlich mit ihren Meinungen einbringen. Das neun Jahre alte Mädchen grinst wissend - die Gäste lachen. Kurz darauf gibt es noch einen Comedy-Moment, als die kleine Prinzessin während eines Musikstücks herzhaft gähnen muss.
Alle Volksvertreter werden nun einzeln aufgerufen, um zu geloben, dass sie die Rechte des Königs respektieren werden. Irgendwo hinten müssen auch 10 der 14 Abgeordneten Platz gefunden haben, die den Eid nicht ablegen wollen. 14 von 150 Mitgliedern des Abgeordnetenhauses - das ist so etwa die Größenordnung, in der sich die Opposition gegen die Monarchie in den Niederlanden derzeit bewegt.
Einer der Anwesenden verfolgt das Geschehen mit sichtbarer Melancholie. In prächtiger Uniform, aber mittlerweile stark ergraut, sitzt Prinz Charles in der ersten Reihe, wo er vor 33 Jahren schon einmal gesessen hat: bei der Amtseinführung von Beatrix. Mittlerweile ist er der am längsten wartende Thronfolger der britischen Geschichte. Auf der Presse-Empore seufzt ein englischer Journalist: „Er wird nie erwachsen werden.“
Nun ruft Fred de Graaf: „Lang leve de Koning!“ (Hoch lebe der König!) Und alle erwidern: „Hurra! Hurra! Hurra!“ Hand in Hand schreitet das Königspaar zum Ausgang. Das Gesicht des neuen Königs ist ernst, Máxima geht wie auf Eiern oder als müsste sie ein gefülltes Champagnerglas auf dem Kopf balancieren. Man sieht es förmlich: Auf ihrer beider Schultern ruht nun die Last des Amtes.