Noch viele unerforschte Wracks in der Ostsee

Stralsund (dpa) - Die Ostsee gehört nach Einschätzung von Archäologen weltweit zu den Gewässern mit den meisten Wracks. Allein um Rügen seien bis heute rund 300 Wracks bekannt. Dies seien aber nur zehn bis 20 Prozent der dort tatsächlich vermuteten, gesunkenen Schiffe.

Das sagte der Unterwasserarchäologe und Mitarbeiter des Deutschen Meeresmuseums, Thomas Förster, am Samstag am Rande einer internationalen Archäologentagung mit 150 Teilnehmern in Stralsund. Die Wissenschaftler appellierten an das Land, die Unterwasserfunde vor der Küste Mecklenburg-Vorpommern zu erschließen und zu vermessen. Vor allem müssten dafür mehr Mitarbeiter bereitgestellt werden.

Der mittlerweile auch in der Ostsee verbreitete Schiffsbohrwurm trage dazu bei, dass die historischen Funde unwiederbringlich verloren gehen könnten. „Uns brennt die Zeit unter den Nägeln“, sagte der Sprecher der Deutschen Gesellschaft zur Förderung der Unterwasserarchäologie, Christian Hempel. Wegen des vergleichsweise geringen Salzgehaltes der Ostsee würden die Überreste der historischen Wracks bisher gut konserviert.

Schon in der Steinzeit wurden die küstennahen Ostseegewässer mit Booten befahren. Das belegen die 2002 bei Stralsund gefundenen und inzwischen in den Depots des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege gelagerten Einbäume. Später in der Hansezeit transportierten Kaufleute aus Lübeck, Stralsund, Stockholm und Königsberg ihre Waren in Koggen über die Ostsee. Besonders die Seegewässer um Rügen seien reich an Wracks, weil die Insel in der Geschichte eine große strategische Bedeutung bei kriegerischen Auseinandersetzungen hatte, sagte Förster. „Rügen hat die Ostsee in zwei Teile geteilt. Von der Insel aus ließ sich der Handel in der Ostsee kontrollieren.“

Nach einer seit 1996 bekannten Schiffsperre im Greifswalder Bodden aus der Schwedenzeit hatten Sporttaucher vor zwei Jahren eine weitere Schiffsperre bei Barhöft nördlich von Stralsund entdeckt. Die vier Schiffe stammten vermutlich aus der Zeit der Napoleonischen Kriege, wie Förster sagte. Die historischen Umstände dieser Sperre seien aber noch nicht vollständig aufgeklärt.

Rund 150 Archäologen berieten auf Einladung der Deutschen Gesellschaft zur Förderung der Unterwasserarchäologie in Stralsund über Seeschlachten und deren archäologische Zeugnisse.

Anlass der Tagung war die 300. Wiederkehr eines schwedisch-dänischen Seegefechts, das 1712 während des Großen Nordischen Krieges (1700-1721) vor Rügen stattfand. In jener Zeit wurde auch die Schiffsperre im Bodden errichtet. Im Juli 1715 versenkten die Schweden quer über den Greifswalder Bodden und auf einer Länge von 980 Metern 20 kleinere, mit Ballaststeinen beladene Schiffe und Fischereiboote als künstliche Sperre, um den feindlichen Dänen die Einfahrt in den Bodden zu verwehren.