Obama will nach Amoklauf Schritte gegen Waffengewalt
Newtown/Berlin (dpa) - Nach dem Schulmassaker von Newtown hat US-Präsident Barack Obama sein Land zu neuen Anstrengungen gegen Waffengewalt aufgerufen. Die Zeit zum Handeln sei gekommen, sagte Obama bei einer bewegenden Trauerfeier für die Opfer in Newtown.
„Es gibt keine Ausreden für Untätigkeit.“
Konkrete Schritte nannte er allerdings nicht. „In den kommenden Wochen werde ich meine Macht im Amt (...) zu Bemühungen nutzen, die darauf abzielen, weitere Tragödien wie diese zu verhindern.“
Drei Tage nach dem Blutbad sollten in Newtown die ersten Kinder beerdigt werden. Auch in Deutschland diskutieren Politiker über den Umgang mit Waffen.
Der 20-jährige Todesschütze Adam Lanza hatte am vergangenen Freitag in der Sandy-Hook-Grundschule in Newtown im Bundesstaat Connecticut 20 Kinder und sechs Erwachsene erschossen. Dann tötete er sich selbst. Auch seine Mutter wurde erschossen in ihrem Wohnhaus gefunden - die 28. Tote. Das Motiv des Amokläufers war auch am Montag weiter unklar.
Unterdessen bereitete sich die kleine Stadt Newtown nördlich von New York auf die ersten Beerdigungen vor. Zwei sechsjährige Jungen sollten noch am Montag zu Grabe getragen werden: Noah Pozner, das jüngste Opfer, dessen Zwillingsschwester überlebte, und Jack Pinto, der ein großer Fan des Football-Teams New York Giants gewesen sein soll.
Um an den Jungen zu erinnern, hatte der Giants-Spieler Victor Cruz bei einer Partie am Wochenende dessen Namen auf sein Trikot geschrieben: „Ruhe in Frieden, Jack Pinto. Mein Held - das hier ist für dich.“ Am Dienstag, Donnerstag und Freitag soll jeweils ein weiteres Kind beerdigt werden. Die Schulen in Newtown blieben am Montag vorerst geschlossen.
Bei der ökumenischen Trauerfeier im Auditorium einer High School am Sonntag wollte Präsident Obama den trauernden Angehörigen und Gemeindemitgliedern Trost spenden. „Wir sind hier, um 20 wunderbare Kinder und sechs großartige Erwachsene zu betrauern, die in einer Schule starben, die jede Schule in Amerika hätte sein können.“
Obama, der selbst Vater von zwei Töchtern ist, sagte, es sei die erste Pflicht der Gesellschaft, ihre Kinder zu schützen. Er stellte die Frage, ob die USA als Nation wirklich diese Pflicht erfüllten. „Die Antwort ist nein. Wir tun nicht genug.“
Es sei das vierte Mal in seiner Präsidentschaft, dass er nach einem Blutbad zu einer trauernden Gemeinde spreche. „Wir können das nicht mehr tolerieren. Diese Tragödien müssen enden.“ Der Präsident räumte ein, dass „kein einziges Gesetz oder Bündel von Gesetzen Böses ausrotten kann“. „Aber ganz sicher können wir es besser machen als bisher.“ Es gebe keine andere Wahl.
Bislang scheiterten derartige Initiativen allerdings unter anderem immer wieder an der sehr mächtigen US-Waffenlobby. Forderungen nach schärferen Gesetzen wehrte sie bislang stets ab. In den USA sind mehr Waffen in Privatbesitz als in jedem anderen Land der Welt - Statistiker gehen von 270 Millionen aus (Stand 2007). Mehr als 40 Prozent aller US-Haushalte besaßen im vorigen Jahr eine Schusswaffe.
Auch die Mutter des Amokläufers war nach einem Bericht der „New York Times“ eine Waffennärrin. „Sie liebte Waffen“, schrieb die Zeitung am Wochenende. Sie habe ihren Sohn mit auf den Schießstand genommen. Die 52-Jährige soll fünf Waffen besessen haben. Nach Auskunft der Polizei hatte der Todesschütze in der Schule ein Sturmgewehr und zwei Pistolen dabei. Diese waren nach vorherigen Angaben auf den Namen der Mutter registriert. Im Auto sei auch noch ein Schrotgewehr gefunden worden.
Der Sender NBC berichtete unter Berufung auf Polizeikreise, Adam Lanza habe zuerst in Newtown seine Mutter erschossen und sei dann in deren Auto zur Schule gefahren. Um das dortige Sicherheitssystem zu umgehen, habe er ein Fenster zertrümmert und sei dann ins Gebäude geklettert. Zunächst seien die Rektorin und die Schulpsychologin auf einem Flur erschossen worden. Die Polizei selbst hielt sich mit Details zum Tatablauf zurück.
Wie Paul Vance von der Staatspolizei in Connecticut mitteilte, gab der 20-Jährige Hunderte von Schüssen ab - und hatte noch mehrere hundert Schuss Munition übrig, als er sich selbst tötete. Bei dem Massaker starben zwölf Mädchen und acht Jungen sowie fünf Lehrerinnen und eine Schulpsychologin. Die Kinder waren zwischen sechs und sieben Jahre alt.
Auch in Deutschland kam zum Wochenstart eine Diskussion über den Umgang mit Waffen auf. Der Grünen-Parteichef Cem Özdemir sagte in der „Berliner Zeitung“, Waffen hätten in Häusern und Wohnungen nichts zu suchen. Auch der baden-württembergische Innenminister Reinhold Gall (SPD) sprach sich im Deutschlandfunk für eine Reduzierung der Waffenzahl aus. Sein Bundesland setze sich weiter für ein Verbot großkalibriger Waffen im Sport ein.
Die Bundesregierung verwies auf Fortschritte: „Nachdem auch wir in Deutschland in Erfurt und in Winnenden schreckliche Vorkommnisse hatten, hat die Bundesregierung doch einige Verschärfungen und Präzisierungen am Waffenrecht vorgenommen, die die Sicherheit erhöhen“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums erklärte, dass kommendes Jahr per Waffenregister besser nachvollzogen werden könne, wo Waffen aufbewahrt würden.