Parfüm: Eine Duft-Reise in den Osten
In der DDR was es nur etwas für besondere Anlässe. Schöpfungen wie Onyx, Désiree oder Luxus verschwanden mit dem Ende des Sozialismus. Eine einmalige Privatsammlung lädt zur Duft-Reise in die Vergangenheit.
Radebeul. Schwarzer Samt, Soiree, Sierra: In einer Wohnung in Radebeul mischt sich leicht-frischer mit süßlich-schwerem Duft. Mehrere raumhohe Vitrinen sind mit rund 1000 Parfümflakons gefüllt, vom winzigen Probierröhrchen bis zur wuchtigen Kristallflasche. Unter dem Dach von Kerstin Zimmermann weht der Duft der DDR — von Ende der 1940er-Jahre bis 1990.
„Eines der Ältesten ist ,Raffinesse’, zu den Letzten gehört ,Frisson’, das in Kooperation mit französischen Parfümeuren entwickelt wurde“, sagt die 57-Jährige. Ihre Leidenschaft für den Duft des Ostens entwickelte sich vor fast 20 Jahren, als ihr durch Zufall seltene Schöpfungen aus dem Sozialismus in die Hände fielen.
Auf Flohmärkten sucht die gebürtige Dresdnerin nach Raritäten aus DDR-Zeiten. Auch bei Haushaltsauflösungen und Parfümbörsen entdeckt sie immer wieder faszinierende Flakons und schöne Verpackungen. In ihren Vitrinen stehen liebevoll mit Stoff ummantelte, edel mit Chinaseide, Edelstein-Imitationen oder filigraner Spitze verzierte Fläschchen ebenso wie metallene Sprühdosen und Plastikflakons. Etwa 100 Marken hat Zimmermann schon ausgemacht.
Die Vielfalt überrascht sie jedes Mal, wenn sie etwas Neues entdeckt. „Viele denken, dass es bei uns gar kein Parfüm gab oder nur Einheitsflakons.“ Sie selbst benutze gar kein Parfüm. „Im DDR-Alltag waren parfümierte Frauen die Ausnahme“, berichtet die Berlinerin Dagmar Lehmann aus fast 40 Jahren Erfahrung als Drogeriebesitzerin. An Wochenenden, für Feiern oder ins Theater „wurde aber schon mal ein Wässerchen aufgelegt“. Viele von Zimmermanns Schätzen riechen sogar noch wie früher. „Weil sie wenig natürliche Duftstoffe enthielten und synthetisch hergestellt wurden.“
Im Sozialismus sei auch beim Parfüm kopiert worden, was im Westen „in“ war. Der Duft passte zur Mode: in den 50ern pulvrig, den 60ern mit Lavendel, die 70er und 80er wurden dann frischer und zuletzt dominierte Johannisbeere.
Jährlich führt Kerstin Zimmermann rund 100 Besucher in ihr Refugium. Manche kommen wegen der Erinnerung. „Ein älterer Herr berichtete, am Pitralon-Rasierwasser schnuppernd, dass er sich damit einrieb, als er die Schwiegereltern in spe im Westen kennenlernen sollte.“ Die Tochter habe er trotzdem bekommen.
Zeugten „Rumbo“, „Tombola“ oder „Casanova“ von der Opulenz nach dem Krieg, weckten „Indisch Lotus“, „Moulin Rouge“ oder „Venezia“ später Wohlstandsträume und Sehnsucht nach Exotik. Bis die Duftwässerchen Namen wie „Poesie“, „Chance“ oder „Action“ bekamen, um Begehrlichkeiten zu vermeiden. Einstige Verkaufsschlager wie „Idris“ und „Casino de luxe“ werden sogar noch hergestellt, sagt Drogeriebesitzerin Lehmann.
Eine von Zimmermanns schönsten Exemplaren ist ein Karton des Edelparfüms „Schwarzer Samt“. Dabei solle es sich um ein Präsent an Schauspielerin Hildegard Knef handeln. Gefallen hat es ihr wohl nicht, bis auf die Creme ist alles noch original. „Sie soll es der Putzfrau geschenkt haben.“