Pferdefleischbetrug hat europaweite Ausmaße

Berlin/Luxemburg/London (dpa) - Der Skandal um falsch deklariertes Pferdefleisch nimmt europaweite Ausmaße an. Mehrere Unternehmen und Länder wiesen sich am Montag gegenseitig die Schuld zu. In Deutschland sind bisher zwar keine Fälle bekannt, in denen wie in Großbritannien und Irland Pferdefleisch als Rind verkauft wurde.

Nach einem Bericht von „Spiegel Online“ hat die Supermarktkette Kaiser's Tengelmann aber „aus Gründen des vorsorgenden Verbraucherschutzes“ vergangene Woche Tiefkühl-Lasagne ihrer Eigenmarke A&P aus dem Verkehr gezogen. Behörden in Frankreich und anderen EU-Staaten wissen bisher nicht, seit wann und in welchem Umfang der Betrug mit Pferdefleisch läuft. Rumänien fühlt sich an den Pranger gestellt.

Der britische Umweltminister Owen Paterson sprach von einer „weitreichenden kriminellen Verschwörung“. Vor rund einem Monat wurden Pferdefleisch-Spuren in Hamburgern gefunden, die in Großbritannien und Irland in Supermärkten verkauft wurden. Vergangene Woche zeigten Tests, dass auch Rindfleisch-Lasagne bis zu 100 Prozent Pferdefleisch enthielt. Erste Spuren führten zu französischen Produzenten, die Fleisch unter anderem aus Rumänien beziehen.

Frankreichs Präsident François Hollande kündigte Sanktionen gegen möglicherweise betrügerisch arbeitende Firmen an. Die Firmen Comigel in Metz und Spanghero in Castelnaudary wurden kontrolliert. Comigel bezieht Fleisch auch aus Rumänien und prüft rechtliche Schritte gegen Lieferanten. Beide Firmen sehen sich als Opfer des Skandals.

Rumäniens Ministerpräsident Victor Ponta sagte, sein Land dürfe nicht „an den Pranger gestellt werden“. Tests hätten ergeben, dass keine Firma auf rumänischem Gebiet Regeln der Europäischen Union (EU) gebrochen habe.

Die in Frankreich genannte Firma CarmOlimp erklärte, sie habe 2012 kein Rindfleisch exportiert und könne deswegen Pferdefleisch auch nicht falsch etikettiert haben. Es sei „unverschämt, dass Spanghero und Comigel versuchen, die Schuld auf rumänische Produzenten zu schieben“. CarmOlimp residiert im zentralrumänischen Brasov und wird nach Angaben der rumänischen Agentur Mediafax von der Familie eines Staatssekretärs im Landwirtschaftsministerium kontrolliert.

Der Leiter von Luxemburgs Veterinärinspektion, Felix Wildschütz, sagte, die luxemburgische Firma Tavola habe das Pferdefleisch verarbeitet und Lasagne- und Moussaka-Fertiggerichte hergestellt, die unter dem Namen großer Marken in den Handel gekommen seien. Etwa 20 Tonnen kämen infrage. Tavola sei Opfer eines Betrugs geworden: Das Unternehmen habe als Rindfleisch gekennzeichnete gefrorene Fleischblöcke erhalten. Tavola produzierte im Auftrag der Firma Comigel, die es wiederum beim Importeur Spanghero gekauft habe.

Spanghero erklärte, man habe in Rumänien tiefgefrorenes Rindfleisch bestellt und die so deklarierte Ware ohne Veränderungen an Tavola geliefert. Wildschütz sagte, das Fleisch sei offenbar über zyprische Zwischenhändler in Rumänien bestellt und über einen Zwischenhändler in den Niederlanden an Spanghero geliefert worden.

Die rumänische Polizei leitete Ermittlungen zu einem möglichen Etikettenschwindel ein. Verdächtig sind zwei Schlachthöfe nahe der nordostrumänischen Stadt Suceava.

Deutschlands Verbraucherministerin Ilse Aigner sah keine Anzeichen dafür, dass falsch gekennzeichnete Produkte hierzulande auf den Markt gekommen sind. Bei Kaiser's Tengelmann wurden Produkte dennoch aus den Regalen genommen - auch wenn nicht nachgewiesen sei, dass darin Pferdefleisch verarbeitet worden sei, zitierte „Spiegel Online“ eine Unternehmenssprecherin.

Lidl Deutschland betonte, mit keinem der aktuell genannten Lieferanten zusammenzuarbeiten. Der Discounter Aldi versicherte nach Angaben des NRW-Verbraucherschutzministeriums, solche Produkte nicht nach Deutschland importiert zu haben. In Großbritannien hatte Aldi angegeben, zwei französische Fertigprodukte hätten zu 30 bis 100 Prozent aus Pferdefleisch bestanden.

Ernährungsexpertin Daniela Krehl von der Verbraucherzentrale Bayern sagte „Handelsblatt Online“, Pferdefleisch sei zwar eigentlich unbedenklich, „wenn es sich aber um Tiere handelt, die ursprünglich nicht für den Verzehr gezüchtet wurden, besteht die Gefahr, dass Medikamente eingesetzt wurden, die bedenklich sind für den Konsumenten“.

Die Organisation Greenpeace teilte mit, der Skandal zeige, „wie unübersichtlich die europäischen Warenströme für Lebensmittel inzwischen sind“. Damit Produkte auch enthielten, was auf der Verpackung stehe, müsse es „klare Herkunftsangaben“ geben.

Von der EU-Kommission in Brüssel hieß es, alle Nahrung in der EU sei „rückverfolgbar“. Wenn es Betrug gegeben habe, müssten die Lieferanten das untereinander klären. Eine Gefahr für Verbraucher gebe es nicht.