Philatelisten gesucht: Sammlern fehlt Nachwuchs

München (dpa) - Wer schnell etwas mitteilen will, twittert oder ändert seinen Facebook-Status. Wenn es persönlicher wird, darf es auch die E-Mail sein. Den klassischen Brief gibt es immer seltener. Das hat auch Folgen auf die Briefmarkensammler - ein Hobby vor dem Aus?

München (dpa) - Wer schnell etwas mitteilen will, twittert oder ändert seinen Facebook-Status. Wenn es persönlicher wird, darf es auch die E-Mail sein. Den klassischen Brief gibt es immer seltener. Das hat auch Folgen auf die Briefmarkensammler - ein Hobby vor dem Aus?

In Zeiten von Twitter, Facebook und Co. wirkt das Hobby fast antiquiert. Briefmarken vorsichtig vom Umschlag lösen und mit der Pinzette ins Album sortieren - wer macht denn das noch? Ganz so viele sind es nicht mehr, sagt der Sprecher des Bundes Deutscher Philatelisten, Wolfgang Peschel. Rund 3000 Mitglieder sind im vergangenen Jahr aus dem Verband ausgetreten, nur 2000 neue kamen dazu: ein Minus von 1000 Briefmarken-Freunden. Vor allem am Nachwuchs hapert es. Das zeigt sich auch auf der Internationalen Briefmarken-Börse, die seit Donnerstag (3. März) in München stattfindet. An drei Messetagen werden insgesamt rund 10 000 Besucher erwartet. Der grob geschätzte Altersdurchschnitt liegt irgendwo jenseits der Fünfzig.

Die Zahl der Briefmarkensammler in Deutschland schätzt Peschel auf circa drei Millionen, rund 53 000 von ihnen seien in den etwa 1250 Vereinen organisiert. In Bayern gehören rund 8000 Menschen einem Sammler-Verein an. Die Deutsche Philatelisten Jugend zählt bundesweit immerhin noch 5000 Mitglieder, laut Peschel sind die Zahlen allerdings rückläufig.

Die Tendenz ist eindeutig: Häufig wird in sehr jungen Jahren das Interesse für die bunten Marken geweckt. Mit Hilfe der Eltern oder Großeltern werden sie in mühevoller Kleinarbeit von Briefen und Postkarten abgelöst und akribisch ins erste Sammelalbum einsortiert. Mit der Pubertät rücken andere Interessen in den Vordergrund und die Alben landen im Keller, wo sie langsam verstauben.

„Als junger Mensch sammelt man Briefmarken. Dann fängt das Leben an“, bringt es Peschel auf den Punkt. „Das Briefmarkensammeln ist nur eine von vielen Freizeitbeschäftigungen. Es gerät gegenüber Internet, Musik, Film oder Computerspielen etwas ins Hintertreffen.“ Vor allem bei Sammlern zwischen 15 und 50 Jahren klaffe eine Lücke, bestätigt auch Wolfgang Wurmb. Er ist der Vorsitzende des Vereins Junge Briefmarkensammler in Bayern. Sein Verein hat etwa 400 Mitglieder, Wurmb wünscht sich bessere Zahlen. Am Eröffnungstag der Börse ist der jüngste Sammler am Stand, neben dem auch ein Banner der Jungen Philatelisten hängt, 45 Jahre alt.

Trotzdem sollten Kinder früh mit Briefmarken in Berührung kommen, fordert Peschel. Seine Hoffnung: Im Alter fällt ihnen ihr Kindheitshobby wieder ein und sie fangen wieder an zu sammeln. Er hat beobachtet, dass viele Sammler jenseits der 50 wieder den Weg zurück in die Vereine finden. Darum, so betont Peschel, sei das Hobby vom Aussterben noch weit entfernt.

Um die Durststrecke zwischen 15 und 50 zu überwinden, lassen sich die Philatelisten heute einiges einfallen. So demonstrieren auch sie heute mit Internetauftritten und Tauschseiten Online-Präsenz. Bei Facebook finden sich mit dem Suchbegriff „Briefmarken“ zahlreiche Einträge, darunter „Briefmarken sammeln und tauschen“ oder „ICH SAMMEL BRIEFMARKEN“.

Die Zahl derer, die sich bei Facebook solchen Gruppen angeschlossen oder ähnliche Fan-Seiten in ihrem Profil angegeben haben, ist jedoch für Facebook-Verhältnisse verschwindend gering. In einem Netzwerk, in dem der tote Michael Jackson derzeit mehr als 29,4 Millionen Fans hat und die Seite des FC Bayern München immerhin über 872 000 Usern gefällt, sind Gruppen mit rund 120 („Briefmarken sammeln!“) oder knapp 80 Mitgliedern („Philatelie - Philatelisten“) kaum der Rede wert.

Die Gruppe „Als ich noch jung war, musste man Briefmarken noch ablecken“ hat immerhin über 60 Mitglieder. Der Name ist eine Anspielung auf die heute selbstklebenden Marken. Vorbei ist die Zeit der orangefarbenen Postschwämme und des süßlichen Geschmacks des Klebefilms auf der Zunge. Die Marken haben sich bereits weiterentwickelt. Jetzt müssen ihre Sammler nachziehen. Wie wäre es zum Beispiel mit einer Briefmarken-App für Smartphones? Vielleicht erlebt damit dann sogar die Frage „Soll ich dir meine Briefmarkensammlung zeigen?“ ein Revival.