King-George-Insel Pinguine im Regen - Klimawandel in der Antarktis

Carlini-Station/Antarktis (dpa) - Vor einiger Zeit tauchten in der Potterbucht auf der antarktischen King-George-Insel Neuankömmlinge auf. Vor den Augen der Forscher der argentinischen Carlini-Station spazierte ein Paar Königspinguine daher.

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Dass sich überhaupt einer dieser Vögel, die eigentlich Hunderte Kilometer weiter nördlich leben, so weit nach Süden verirrt, ist schon ungewöhnlich. Denn Königspinguine leben in der Subantarktis, etwa auf Inseln südwestlich von Argentinien. Doch diese beiden Vögel kamen auf die King-George-Insel vor der Antarktischen Halbinsel, um zu bleiben. Sie bauten ein Nest und legten ein Ei. Zunächst kam nichts heraus, aber im Jahr darauf schlüpfte Nachwuchs.

„Ist das nun der Brückenkopf, und werden wir in einiger Zeit hier eine Kolonie Königspinguine haben? Ist das ein Zeichen für den Klimawandel? Vielleicht“, sagt der Direktor des Argentinischen Antarktis-Instituts (IAA), Rodolfo Sánchez. Königspinguine sind nach Kaiserpinguinen die zweigrößte Art dieser Vögel. Doch im Gegensatz zu ihren großen Verwandten, die in der Antarktis leben, bevorzugen Königspinguine wärmere Gebiete.

Seit vielen Jahren sind argentinische Forscher auf der größten der Südlichen Shetlandinseln tätig, und manche ihrer Beobachtungen klingen alarmierend. Sánchez erinnert sich, wie er 1990 das erste Mal in die Antarktis kam. „Regen war hier damals ein seltenes Phänomen“, sagt er. „Es regnete nicht, es schneite, und jetzt regnet es im Sommer ständig.“ Damals sei die Front des Gletschers senkrecht ins Meer abgefallen. „Und jetzt ist sie hier 500 Meter weiter hinten, hier hat man jetzt 500 Meter Strand.“

Noch sind die Auswirkungen des Klimawandels in der Antarktis viel weniger erforscht als in der Arktis. Doch jeder, der auf der nahe am Polarkreis gelegenen Forschungsstation länger arbeitet, sieht die Hinweise mit eigenen Augen. „Dies ist das atypischste Jahr. Wir haben hier Temperaturen über Null gehabt, früher lagen sie immer drunter“, sagt der Techniker Luis Vila mit Blick auf 2016.

Auf der King-George-Insel am 62. südlichen Breitengrad sind viele Länder wissenschaftlich tätig. Größte Forschungsstation ist die chilenische Basis Frei Montalva mit einem eigenen Flugplatz. Die Russen haben in ihrer Station Bellingshausen die südlichste orthodoxe Kirche der Welt. Auch Chinesen, Koreaner, Polen, Uruguayer, Peruaner und Brasilianer sind da. Und in der Carlini-Station unterhält das Alfred-Wegener-Institut das Dallmann-Labor, die Deutschen arbeiten mit den Argentiniern eng zusammen.

Carlini-Direktor Lucas Roberto bestätigt, dass das Eis vom Fourcade-Gletscher schneller schmilzt als früher. Dies könne Fauna und Flora in der Bucht verändern. In dem Maße, wie sich der Gletscher zurückziehe, werde das ins Meer abfließende Schmelzwasser sedimentreicher, sagt die Biologin Carolina Matula. Das wirke sich etwa auf die Algen in der Bucht aus.

Bevor die Königspinguine kamen, gab es in der Region sechs Arten Pinguine. Einige davon ziehen Richtung Süden. „Wir beobachten in den letzten Jahren, dass sich die Adeliepinguine, die antarktischsten von allen, weiter nach Süden zurückziehen, während die subantarktischen Eselspinguine ihren Platz einnehmen und sich durchsetzen“, sagt Sánchez. Der Klimawandel eröffne aber auch neue Gebiete für die Forscher. „Auf einmal hast du hier eine Bucht, wo es vorher einen Gletscher gab, und in diesem Freiraum können wir beobachten, wie die Natur sich verhält“, sagt er.

Tatsächlich sei die Antarktische Halbinsel in den vergangenen Jahrzehnten deutlich wärmer geworden, sagt auch Gert König-Langlo vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. Die Temperatur sei seit Beginn der Messungen 1950 im Mittel um drei Grad Celsius gestiegen. Für die Westantarktis, an der die Halbinsel hängt, gebe es weniger exakte Daten.

Neben dem Klimawandel kann die Präsenz des Menschen in der unwirtlichen Region aber auch direkte und unerwartete Auswirkungen auf die Natur haben. Denn es kommen nicht nur viele Wissenschaftler und Techniker auf die antarktische Halbinsel, sondern auch immer mehr Touristen. „Wir könnten Samen an unseren Stiefeln mitschleppen, Mikroorganismen, die anfangen zu gedeihen an Orten, wo sie vorher nicht gediehen“, sagt Sánchez und warnt: „Wenn man sieht, was in der Subantarktis passiert ist, dann fasst man sich an den Kopf angesichts des Artensterbens dort.“ Für die Antarktis mahnt er mehr Achtung an.