Porträt: Die erste Professorin für Geburten
Claudia Hellmers (41) lehrt Hebammenwesen an der FH Osnabrück. Das Wichtigste: Frauen die Angst nehmen.
Osnabrück. Schon der holde Knabe mit lockigem Haar, der in der Heiligen Nacht zu Bethlehem geboren wurde, hatte eine Hebamme. Kein Arzt war da, keine Heizung, kein kuscheliges Babybettchen. Doch für die Hebamme, die Josef gesucht und gefunden hatte, ist in außerbiblischen Erzählungen sogar ein Name überliefert: Salome.
"Heute können wir uns das kaum vorstellen, im Winter in einem Stall ein Kind zur Welt zu bringen", sagt Claudia Hellmers, Hebamme und Professorin.
Die 41-Jährige ist die bundesweit erste Professorin für Hebammenwissenschaft. Seit diesem Wintersemester lehrt sie an der Fachhochschule Osnabrück, in dem neuen Bachelor-Studiengang "Hebammenwesen".
"Das Ziel einer Hebamme ist es, ein positives Geburtserlebnis zu ermöglichen. Und das kann es auch in einem Stall geben." Für Claudia Hellmers ist es wichtig, der Frau das Vertrauen in die eigenen Kräfte zu geben: "Natürlich haben wir heute viel mehr unterstützende Technik als früher. Aber eine Geburt bleibt immer eine Art Ausnahmezustand, ein sehr intensives Erlebnis."
Rund 1500 Kinder hat Claudia Hellmers seit ihrem Examen 1989 schon auf die Welt geholt. Dass sie Frauen "entbunden" hat, sagt die Hebamme mit Doktortitel nicht gern. "Das klingt so passiv. Viel schöner finde ich: Die Frau hat das Kind geboren, und wir haben sie begleitet."
Dass das Hebammenwesen sich mit diesem Studiengang zu einer Wissenschaft entwickelt, stößt beim Deutschen Hebammen-Verband auf positive Resonanz, denn der Beruf werde immer noch sehr unterschätzt: "Die Anforderungen haben enorm zugenommen", sagt Sprecherin Edith Wolber.
Denn Schwangere sind heutzutage älter als früher und durch die Fallpauschalen-Abrechnung oft nur kurze Zeit im Krankenhaus. Die Betreuung nach der Geburt wird also wichtiger. In der derzeitigen Ausbildung werde vorrangig die klinische Geburtshilfe gelehrt, die außerklinische Versorgung erfordere aber andere Kompetenzen, sagt Claudia Hellmers. Bei ihr sollen Hebammen lernen, wissenschaftlich zu arbeiten, Studien zu beurteilen und neue Erkenntnisse in die Arbeit einfließen zu lassen.
Sie möchte den Frauen vor allem ihre Angst nehmen. Durch die Voruntersuchungen und durch pränatale Diagnostik sind Schwangere heute an Sicherheit gewöhnt. Viele möchten dann vielleicht auch eine Geburt planbar machen oder sich nicht auf Schmerzen einlassen. Seit Jahren kritisiert der Bund Deutscher Hebammen steigende geburtshilfliche Interventionen, zum Beispiel den umstrittenen Kaiserschnitt auf Wunsch. Die Risiken seien viel größer als bei einer Spontangeburt.
"Bei einem Wunschkaiserschnitt müssen wir immer fragen, welche Gründe dahinter stehen", sagt Claudia Hellmers. "Wenn Angst vor Schmerzen der Grund ist, ist eine Operation keine Lösung, denn Schmerzen hat man nach einem Kaiserschnitt auch." Ein Kaiserschnitt habe Nutzen und Risiken, "es ist nicht alles einfach und sicher". Wie viel Technik bei einer Geburt nötig sei, müsse stets individuell entschieden werden.
Von ihren geschätzten 1500 Geburten möchte Hellmers keine herausheben. "Ganz besonders waren sie alle." Und es gehe ja auch um viel mehr: "Hebammen begleiten eine Familie in eine neue Lebensphase. Elternkompetenz hört nie auf."