Premiere von Janaceks Oper „Katja Kabanowa“
Karlsruhe (dpa) - Karlsruhes Generalmusikdirektor Justin Brown ist ein ausgewiesener Liebhaber und intimer Kenner der Werke des großen mährischen Komponisten Leos Janacek (1854-1928).
Nach mehr als einem Jahrzehnt Karlsruher Janacek-Abstinenz präsentierte er im Badischen Staatstheater mit der späten Oper „Katja Kabanowa“ eines der Schlüsselwerke des kompositorischen „Spätstarters“.
Die Premiere am Samstagabend bot eine ausgefeilte Inszenierung, ein brillantes Solistenensemble und eine bestens aufgelegte Badische Staatskapelle. Das Publikum, in dem viele wohl zum ersten Mal eine Janacek-Oper erlebten, reagierte mit begeistertem Applaus.
Janacek ragt als „Solitär“ aus dem 19. Jahrhundert in die musikalische Moderne. Er ist ein Spätstarter. Erst als 50-Jähriger erlebte er mit seiner Oper „Jenufa“ den künstlerischen Durchbruch. Während andere Komponisten mit 60 Jahren zu einem milden Altersstil finden, tummelte er sich in den 20er Jahren zwischen Schönberg, Bartok und Strawinsky als „alter Wilder“ auf den Festivals der Avantgarde. Die Uraufführung von „Katja Kabanowa“ erlebte er als fast 70-Jähriger.
Die Oper basiert auf „Gewitter“, dem Schauspiel des Russen Alexander Ostrowskij. Der Moskauer Popensohn (1823-1886) schildert darin eine Ehetragödie in der russischen Provinz. Die Titelfigur, die unglücklich verheiratete Katja, wird durch die sadistische Schwiegermutter in einen Ehebruch und den Selbstmord in der Wolga getrieben. Die kleinbürgerliche Doppelmoral erweist sich als tödlich.
Es gibt eine ordentliche deutsche Fassung des Textbuches aus der Feder des Kafka-Freundes Max Brod. In Karlsruhe singt man aber im tschechischen Original mit deutschen Übertiteln. Und so kann sich die berühmte „Sprachmelodie“ Janaceks überzeugend entfalten.
Der ebenso junge wie erfahrene Regisseur Georg Köhl verlässt sich ganz auf die Kraft von Janaceks Musik. Er liefert eine Inszenierung ohne „Regietheater-Mätzchen“. Er erzählt die tragische Geschichte. Er sorgt für eine intensive Personenführung. Er schält aus der zeitbedingten „Story“ den zeitlosen Kern.
Christian Flören unterstützt dies mit seinem Bühnenbild: Karge Metallkonstruktionen markieren Räume - Zimmer, das Ufer der Wolga, ein Ruine, die Schutz vor dem Gewitter bietet. Im tödlichen Schlussbild steht die ganze Bühne unter Wasser.
Janacek stellt an Orchester, Dirigent und Solisten die höchsten Anforderungen. Der Komponist hat seine komplexe Musik der Melodik und dem Rhythmus der tschechischen Alltagssprache abgelauscht. Das klingt auch heute noch modern. Justin Brown dirigiert das mit intimer Kenntnis von Janaceks Kompositionstechnik, kitzelt immer wieder avantgardistische Effekte aus der folkloristisch geprägten Partitur. Solide bis brillant agiert das Solistenensemble.
Sonja Borowski-Tudor ist eine wunderbar bigotte, tödliche Schwiegermutter. Bernhard Berchtold als Katjas Kurzzeitliebhaber überzeugt mit seinem jugendlichen Charaktertenor. Christina Niessen in der Titelrolle ist der umjubelte Star des Abends.