Prinz Charles: Keine Eile bei der Thronbesteigung
London (dpa) - Der Mann mit dem betonierten Seitenscheitel und den großen Ohren war für viele Briten bisher das, was sie gern in ihrer Höflichkeit mit „interesting“ beschreiben - eher seltsam.
Prinz Charles spricht mit Pflanzen, setzt sich für den Klimaschutz ein und trägt altmodische Zweireiher. Außerdem ließ er seine Ehe mit einer attraktiven Glamour-Prinzessin und Mutter seiner Kinder kaputtgehen, um den Rest seines Lebens mit einer Frau zu verbringen, die die Boulevardmedien auf der Insel einst als „Rottweiler“ bezeichneten.
Viele sahen ihm manche Absonderlichkeit nach, auch ein bisschen aus Mitleid. Mitleid, weil er im Alter von 64 Jahren schon 61 Jahre Thronfolger, seine Krönung zum König von Großbritannien aber überhaupt nicht absehbar ist. Wer bis zum Rentenalter warten muss, bis er den Job seines Lebens bekommt - noch dazu als Nachfolger der eigenen Mutter - dem verzeiht man auch die eine oder andere Marotte.
Kurz vor Charles' 65. Geburtstag hat der Thronfolger mit der längsten Wartezeit in der Geschichte der britischen Monarchie ein völlig neues Bild von sich entworfen. Er gewährte der Journalistin Catherine Mayer vom US-Magazine „Time“ so viel Zugang und Einblick in sein Leben, wie noch keinem Reporter zuvor. Heraus kam: Charles sehnt sich überhaupt nicht nach dem Thron, im Gegenteil. Er hat vielmehr Angst, dass er ihm die Zeit rauben wird, sich um die Dinge zu kümmern, die ihm eigentlich wichtig sind.
Er befürchte, „die Gefängnistüren“, könnten sich schließen, ehe er seine Projekte abgeschlossen hat, sagte ein Vertrauter der Reporterin. Das Zitat machte am Freitag die Runde durch alle großen Blätter in Großbritannien. Um nicht eine Monarchie-Krise heraufzubeschwören, beeilte sich der Palast am Nachmittag mit dem Hinweis, Charles freue sich durchaus auf seine künftige Aufgabe als König. Catherine Mayer erklärte dann auch brav in der BBC, das Zitat sei nicht so zu verstehen, dass Prinz Charles den Thron ablehnt.
Der Bericht im „Time“-Magazine erschien, als die Windsors gerade einmal wieder Geschichte schrieben. In der Kapelle des St.-James'-Palastes zu London hatten sich mit Queen Elizabeth II., ihrem ältesten Sohn Charles, dessen ältestem Sohn William und dessen bisher einzigem Sohn George die Königin und drei künftige Könige versammelt. Ein Bild, das es so 120 Jahre lang nicht mehr gegeben hatte. „Die Zukunft ist gesichert“, sollte das offizielle Hof-Foto signalisieren, die Monarchie lebt fort.
Prinz Charles setzt sich für Nachhaltigkeit ein, für den Kampf gegen den Klimawandel und gegen einen Raubbau an Ressourcen. Gerade am Beispiel des kleinen Prinz George werde deutlich, dass es auch für künftige Generationen eine würdige Zukunft auf der Erde geben müsse, dem einzigen Planeten, wie Charles betont, von dem wir wissen, dass auf ihm Leben möglich ist. „Wir tun mit großer Geschwindigkeit alles, um die Chancen der künftigen Generationen kaputtzumachen, in dem wir nicht merken, welchen Schaden wir der Natur zufügen“, sagte Charles dem „Time“-Magazine.
Wenn er König sein wird, wird es für Charles deutlich schwieriger werden, sich so dezidiert zu politisch und gesellschaftlich brisanten Themen zu äußern. Zu absoluter Neutralität ist der Monarch in Großbritannien nicht nur verfassungsmäßig verpflichtet. Sie hat sich seit den Zeiten Königin Victoria auch als Erfolgsmodell für die Monarchie herausgestellt.