Prozess um zwölf gestohlene Leichen beginnt

Frankfurt (Oder)/Posen (dpa) - Die Toten sollten ins Krematorium - und landeten in einem polnischen Wald: Im Herbst hat ein gestohlener Leichentransport großes Entsetzen ausgelöst. Gegen drei Tatverdächtige beginnt nun der Prozess.

Für die Hinterbliebenen war es ein Schock. Eigentlich sollten ihre gestorbenen Angehörigen auf dem Weg zur Einäscherung sein - doch dann verschwanden die zwölf Toten spurlos. Die Polizei vermutete im Herbst vergangenen Jahres schnell, dass Autoschieber die Leichen nur aus Versehen zusammen mit dem weißen Transporter gestohlen haben. Er stand auf dem Parkplatz eines Bestattungsfuhrunternehmens in Hoppegarten bei Berlin.

Für die Angehörigen folgen bange Tage, bis die Särge mit den Toten wieder auftauchen - in einem polnischen Waldgebiet. Drei der mutmaßlichen Autodiebe stehen am Dienstag im polnischen Posen vor Gericht.

Die Suche nach den Toten dauerte über eine Woche. In einer Sonderkommission namens „Grenze“ forschten deutsche Ermittler zusammen mit osteuropäischen Behörden sogar bis nach Litauen. Schließlich entdeckten die Ermittler die Särge in einem Wald in Krolikow, etwa 85 Kilometer von Posen (Poznan) entfernt. Die unscheinbaren Holzkisten lagen verstreut zwischen Bäumen.

Mittlerweile hat die Polizei vier von fünf Verdächtigen des Leichenklaus geschnappt. Sie sind den Angaben zufolge zwischen Mitte 20 und Mitte 30 Jahre alt. Der mutmaßliche Drahtzieher des Diebstahls ist dagegen untergetaucht. Nach ihm wird international gefahndet.

Den Diebstahl hat nur einer der vier Gefassten gestanden. Er wurde bereits von einem polnischen Gericht verurteilt: zu elf Monaten Haft und einer Geldstrafe von 3000 Zloty (rund 725 Euro). Darauf hatte sich der Mann mit der Staatsanwaltschaft geeinigt. Außerdem muss er eine Entschädigung von 16 000 Zloty zahlen. Gegen die übrigen drei Tatverdächtigen beginnt nun der Prozess in Posen. Sie sagen, sie seien unschuldig.

Für die Hinterbliebenen der Toten vergingen nach dem Fund der Särge noch einmal rund zwei Wochen, bis sie ihre Angehörigen oder Freunde endlich einäschern konnten. So lange dauerte es, bis alle Toten identifiziert und alle Papiere für die Grenzüberführung ausgestellt waren.

Die Ungewissheit sei für die Betroffenen ein emotionaler Ausnahmezustand gewesen, sagt der ehrenamtliche Pfarrer und Trauerbegleiter Oliver Wirthmann vom Bundesverband Deutscher Bestatter. „In der Phase des Abschieds suchen viele Hinterbliebene die Nähe ihrer Verstorbenen - dieser Möglichkeit waren sie durch den Diebstahl beraubt.“ Auch spielten Gefühle der Ohnmacht und vielleicht auch der Schuld eine Rolle. „Trauer braucht einen Ort.“

Auch die deutsche Staatsanwaltschaft in Brandenburg ist mit dem Fall noch immer beschäftigt. In Frankfurt (Oder) werde gegen vier Bestattungsunternehmen sowie den Spediteur ermittelt, die an dem Leichentransport beteiligt waren, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Es habe mehrere Anzeigen gegeben. Die Vernehmung von Zeugen sei jedoch noch nicht abgeschlossen.

Die Vorwürfe gegen sie beziehen sich unter anderem auf die Art des Transports der Leichen, beispielsweise auf die nicht ausreichende Kennzeichnung am Wagen. Wirthmann kritisiert in dem Zusammenhang eine sogenannte Bestatter-Discount-Mentalität. „Die Entwürdigung zeigt sich durch den Massen-Transport in Holzkisten“, kritisiert er.