Rauchvergiftung: Notärzte wollen mehr Druckkammern
Wer in NRW bei einem Feuer Kohlenmonoxid eingeatmet hat, kann nicht immer optimal behandelt werden.
Düsseldorf/Wuppertal. Als Notarzt Holger Wißuwa in den frühen Morgenstunden am Einsatzort ankommt, ist schnell klar, was sein Patient braucht. Bei einem Brand in seiner Wohnung in Herne hat der Mann eine lebensbedrohliche Rauchvergiftung erlitten.
Jetzt benötigt er möglichst schnell möglichst viel Sauerstoff, damit sich das giftige Kohlenmonoxid aus seinem Körper lösen kann, am besten verabreicht in einer Überdruckkammer. Denn das Gift in seinem Blut verhindert die Versorgung von Hirn und Organen mit ausreichend Sauerstoff. „Wenn man nicht möglichst schnell handelt, können schwere neurologische Schäden die Folge sein“, sagt der Arzt.
Doch Druckkammern zur sogenannten hyperbaren Sauerstofftherapie (HBO) sind in Nordrhein-Westfalen Mangelware. Nach vergeblichen Anrufen in hiesigen Zentren musste der Patient aus dem Ruhrgebiet per Hubschrauber in eine Klinik nach Wiesbaden geflogen werden. Eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung für Patienten, die gleichzeitig intensivmedizinische Betreuung brauchen, ist in NRW nicht garantiert, wie Notfallmediziner und Feuerwehren kritisieren.
„Die Versorgungslage ist desolat“, sagt etwa die Wuppertaler Notärztin Hella Körner-Göbel, die sich in einer Arbeitsgruppe mit Medizinern und Rettungskräften seit Jahren mit Kohlenmonoxidvergiftungen auseinandersetzt. „Ein Drama“, nennt es Wißuwa. Und Hubert Parys vom Verband der Feuerwehren in NRW sagt: „Mehr Kammern wären wünschenswert, wenngleich das schwer zu finanzieren ist.“
Neben einigen ambulanten Einrichtungen gibt es in Aachen und Düsseldorf zwei Druckkammern mit intensivmedizinischer Betreuung. „Wir tun, was wir können, aber können die Kammer nicht 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag einsatzbereit halten“, sagt der leitende Arzt der Kammer in Aachen, Ullrich Siekmann. Von der Düsseldorfer Uniklinik heißt es, man habe in den vergangenen Jahren eine Rund-um-die-Uhr-Notfallversorgung gewährleistet. Aber: „Aktuell besteht dazu wegen der personellen Besetzung keine Möglichkeit“, teilt das Klinikum mit. Seit knapp einem Jahr könne die Kammer nur tagsüber betrieben werden, wenngleich daran gearbeitet werde, zusätzliches Personal auszubilden, so eine Sprecherin.
Das Problem liege in den hohen Kosten, die die dauerhafte Bereitstellung einer Druckkammer verursache, vor allem durch den Wartungs- und Personalaufwand, erklärt Siekmann. Die Behandlungskosten im Notfall, die die Krankenkassen übernehmen, decken diese Vorhaltekosten nicht in jedem Fall. Schon jetzt sei der hohe Einsatz, den er und seine Mitarbeiter „fast schon hobbymäßig“ aufbrächten, nicht refinanzierbar.
In diesem Jahr musste das HBO-Zentrum Aachen bereits zwölf von 13 Notfällen abweisen, berichtet Siekmann. Im vergangenen Jahr konnten die Aachener von 99 Notfallpatienten nur ein gutes Drittel behandeln.
Es bedürfe keines ausdrücklichen Versorgungsauftrags durch das Land, heißt es in einer Stellungnahme des Gesundheitsministeriums. „In Nordrhein-Westfalen ist eine 24-stündige Bereitschaft in der Regel in Düsseldorf gegeben“, deutschlandweit stünden insgesamt neun intensivmedizinisch ausgestattete Kammern zur Verfügung. Außerdem sei die HBO-Therapie nicht die einzige Möglichkeit, Rauchgasvergiftungen zu behandeln.
„Daher ist die Notfallversorgung gesichert, auch wenn die Kammer nicht zur Verfügung steht oder etwa aufgrund von Entfernungen oder anderen widrigen Umständen nicht erreicht werden kann“, so das Ministerium. 2013 hatte es die Träger der Rettungsdienste beauftragt, ein Jahr lang den tatsächlichen Bedarf zu erheben. Das Ergebnis wird im Sommer erwartet.